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Wie es um die Zukunft der Rindermast steht – Interview mit dem Berufsverband Rindermast e. V.

Wie es um die Zukunft der Rindermast steht – Interview mit dem Berufsverband Rindermast e. V.

Der Staat und Handel fordern, dass die Tierhaltungsbedingungen für Mastrinder verbessert werden. Die unterschiedlichen Vorgaben der Stufenmodelle verunsichern die Rindermäster, zumal sie die Tierwohlmaßnahmen nicht aus eigener Tasche stemmen können. Der neu gegründete Berufsverband Rindermast e. V. will bei den politischen Entscheidungen mitmischen und Expertise aus der Praxis einbringen.

Foto: BVRM

Warum ist die aktuelle Lage so verzwickt?

Markus Schulze-Finkenbrink: Die unterschiedlichen Vorgaben der Borchert Kommission, der Initiative Tierwohl und der Novellierung TA-Luft lösen bei den Rindermäster große Planungsunsicherheit aus. Auch bei der Anzahl an Haltungsstufen gibt es Unterschiede. Die Handelsebene (Initiative Tierwohl) zeigt die Stufen 1 bis 4 auf, während die staatliche Ebene (Borchert-Kommission) mit den Stufen 0 bis 3 arbeitet. Dabei ist der Status Quo, also die niedrigste Stufe, nicht festgelegt. Da die Stufenmodelle nicht mit einem einheitlichen Grundsatz beginnen, gehen hier schon die Komplikationen los. Nach der Borchert Kommission würde unser Betrieb beispielsweise mit der Handelsstufe 2 bewertet werden, nach der Initiative Tierwohl mit der Stufe 3.

Wir orientieren uns klar an dem Stufenmodell des Staats. Im Moment fällt es uns vor die Füße, dass es in Deutschland keine einheitlichen Vorgaben gibt. Für Rinder über 400 kg fordert QS 2,2m², Niedersachsen 3,5 m², Nordrhein-Westfalen 3,1 m², Schleswig-Holstein 4 – 4,5 m², das Agrarinvestitionsförderprogramm I 4,5 m² und der KTBL-Orientierungsrahmen für die Eigenkontrolle des Tierwohls 6 m².

Wo soll es in Zukunft in der Rindermast hingehen?

Matthias Lambers: Auf jeden Fall wird es nicht so bleiben wie es ist und die Kriterien der Stufenmodelle stehen noch nicht fest. Aktuell müssen wir erstmal die Koalitionsverhandlungen abwarten. Wir orientieren uns an der niedersächsischen Rindermastleitlinie und möchten diese gerne als gesetzliche Grundlage ansehen können. Um zu zeigen was das bedeutet, öffnen wir insbesondere für die Mitglieder der Borchert-Kommission unsere Stalltüren und organisieren Exkursionen. Da in den Gremien des Handels als auch der staatlichen Ebene das Fachwissen der Rindermäster fehlt, fordern wir an diesen Stellen unser Mitspracherecht ein.

Die Buchtenstrukturierung wird auf jeden Fall ein großes Thema werden. Hierbei hat sich eine Liegefläche (Stroh oder Gummi) von 2,5 m² pro Tier bewährt. Im Rahmen von Stallbesuchen zeigen wir auf, wie dies auch in den weit verbreiteten 4 x 5 m Spaltenbuchten umsetzbar ist.

Uns ist wichtig, dass Landwirte für ihre Investitionen in Tierwohl eine langfristige Planungssicherheit erhalten.

Foto: BVRM

Werden sich die Forderungen der Borchert Kommission (staatliche Ebene) und der Initiative Tierwohl (Handels-Ebene) annähern?

Matthias Lambers: Bei der Borchert Kommission haben Tierschutz und biologische Landwirtschaft eine größere Gewichtung als bei der Initiative Tierwohl. Eine Annäherung wäre wünschenswert, ist aber nicht unbedingt zu erreichen. Die Politik muss klare Leitplanken aufstellen, damit die Rindermäster wissen, was in Zukunft wie gefördert wird.

Wird es deutschlandweit einheitliche Forderungen geben?

Markus Schulze-Finkenbrink: Ja, davon gehen wir aus. Über kurz oder lang wird es eine neue Rinderhaltungsverordnung geben. Derzeit hängt mit dem Baubrief in Nordrhein-Westfalen, der QS-Richtlinie, der Tierschutzleitlinie in Niedersachsen, dem Agrarinvestitionsprogramm usw. noch zu viel in der Luft. Dazu kommt, dass die Anforderungen der Tierschutznutztierhaltungsverordnung nur für Tiere bis zu einem Alter von einem halben Jahr gelten.

Wonach sollen sich die Landwirte aktuell richten?

Markus Schulze-Finkenbrink: Ganz klar nach den gesetzlichen Anforderungen. Wir empfehlen den Rindermästern derzeit mit Investitionen abzuwarten. Es ist ungewiss, ob diese in Zukunft honoriert und sich als generell sinnvoll herausstellen werden.

Welche Ziele verfolgt der BVRM?

Matthias Lambers: Wir verfolgen gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ziele. Wir machen Werbung für das wertvolle Produkt „deutsches Rindfleisch“ und wollen die heimische Rindfleischproduktion stärken. Mit offenen Stalltüren suchen wir den Dialog und bieten transparente Einblicke. Mit vereinten Kräften wollen wir gegenüber unseren Handelspartnern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Rindermast verbessern. Da wir an den Verhandlungstischen sitzen, führen wir auch Preisgespräche und wollen den Markt in Zukunft aktiv mitgestalten. Wir brauchen den Wandel zu mehr Tierwohl und fordern faire Preise für deutsches Rindfleisch. Zu unseren politischen Zielen zählt, die Rahmenbedingungen der zukünftigen Rinderhaltung mitzugestalten. Da wir Planungssicherheit für unsere Betriebe brauchen, arbeiten wir eng vernetzt mit bundes- und landesweiten Interessenvertretungen.

Der Rindermast eine Stimme geben

Je mehr Mitglieder der Berufsverband Rindermast aufweist, je stärker werden die Stimmen gehört. Aktuell wird der Verband zu 100% ehrenamtlich geführt. „Wir können natürlich noch viel geballter auftreten, wenn wir mit den Mitgliedbeiträgen eine Vollzeitkraft einstellen können“, erklärt Matthias Lambers, Geschäftsführer des BVRM. „So können unsere Aktionen zentral organisiert werden und wir können schneller agieren.“ Die Mitgliedsbeiträge staffeln sich nach der Anzahl an Mastplätzen und reichen von 75 bis 750 € jährlich. Wer den Verein unterstützen möchte findet alle Informationen auf der Website www.bv-rindermast.de .

Vorstellung Berufsverband Rindermast e.V.

Rindermäster und unabhängige Berater haben sich im Januar 2021 zum Berufsverband Rindermast, kurz „BVRM“ zusammengeschlossen. Mit dem Netzwerk aus Praktikern will der Verband das erste Sprachrohr für die deutsche Rindermast sein. Als Interessensverband vertritt der BVRM die Anliegen seiner Mitglieder in der Wirtschaft, der Politik sowie in der Gesellschaft. Gegenüber dem deutschen Bauernverband, den Landesverbänden, dem deutschen Raiffeisenverband oder dem Bundesverband Rind und Schwein wollen sie keine Konkurrenz darstellen, sondern den Organisationen mit praktischem Fachwissen zuarbeiten. Die Zusammenarbeit trägt bereits erste Früchte. So hat es der Verband geschafft, bei politischen Entscheidungen ein Mitspracherecht in der Borchert Kommission AG Rind zu erlangen. Die AG Rind beschäftigt sich mit den Haltungsformen der Zukunft.

Martina Leißner

Austausch des BVRM mit Vertretern der Westfleisch SCE mbH (Foto: Westfleisch)

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