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Punktgenau – Akupressur für entspannte Kühe

Punktgenau – Akupressur für entspannte Kühe

Arbeiten im Rinderstall bergen verschiedene Gefährdungen in sich. Besonders dann, wenn einzelne Tiere behandelt werden müssen, bringen moderne Technik und altes Wissen, wie Akupressur, ein Plus an Sicherheit für den Umgang mit dem Rind.

Durch beherztes Kraulen am Ohrmuschelansatz entspannen sich Kühe im Fangfressgitter. Das kann das Anlegen eines Halfters erleichtern oder die Kuh während kleinerer Behandlungen beruhigen. Bei Arbeiten am Fressgitter sollten Landwirte ihre Arme und Hände nie zwischen Kuh und Gitter halten. Bild: SVLFG

Unwissenheit sowie Stress und Nervosität bei Mensch und Tier erschweren den Umgang mit den Tieren und erhöhen das Unfallrisiko. Dabei gibt es einige einfache Regeln, die den Umgang mit den Rindern erheblich sicherer machen. Die Unfallverhütungsvorschriften der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) definieren Schutzziele und geben Hinweise, durch welche Vorsichtsmaßnahmen Tierbetreuer und Behandelnde besser geschützt werden können.

Aus dem Unfallgeschehen

Von insgesamt etwa 61.500 meldepflichtigen und 125 tödlichen Unfällen in der Statistik der SVLFG für das Jahr 2021 ereignete sich etwa ein Viertel im Bereich der Tierhaltung. Unfälle mit Rindern machen dabei mit 4.764 meldepflichtigen Unfällen und sieben tödlichen den größten Anteil aus. Bei der Behandlung von Rindern erlitten 352 Versicherte einen meldepflichtigen Arbeitsunfall.

Verbindlich für alle Versicherten

Die Unfallverhütungsvorschrift „Tierhaltung“ (VSG 4.1) enthält Vorgaben für das Errichten und den Betrieb von Einrichtungen in der Nutztierhaltung sowie für den Umgang mit den Tieren. Sie gibt wieder, welche baulichen und technischen Einrichtungen vorhanden sein müssen. Auch zur persönlichen Schutzausrüstung sowie zu Verhaltensweisen beinhaltet die Vorschrift Regeln und Hinweise.

Mit einer Novellierung, die zum 01.04.2021 in Kraft trat, wurde die Unfallverhütungsvorschrift dem Stand der Technik angepasst. Unfallanalysen und die Erfahrungen aus der Präventionsarbeit sind in die Überarbeitung eingeflossen.

Für viele Betriebe bereits gängige Praxis

Beim Besamen oder Behandeln dürfen sich keine freilaufenden Tiere in dem Bereich aufhalten, in dem einzelne Tiere oder Gruppen behandelt werden. Um dies zu gewährleisten, aber nicht immer die gesamte Herde im Fangfressgitter fixieren zu müssen, bietet es sich an, Stallbereiche zeitweise voneinander zu trennen. Schwenkgatter, Hubtore oder Schranken eignen sich dafür, einfache Separationsbereiche zu schaffen. Sicherheitsfangfressgitter ermöglichen es, einzelne Tiere in den separierten Bereichen zu fixieren.

In Separationsbuchten (mit Fixiermöglichkeit) ist es möglich, Einzeltiere ohne Gefährdungen durch die Herde zu behandeln. Insbesondere bei wiederkehrenden Behandlungen innerhalb einer kurzen Zeitspanne eignet sich diese Art der Trennung besonders, um die Arbeitssicherheit zu erhöhen.

Sicherer Arbeiten mit entspannten Tieren

Zusätzlich zur Fixierung und Abgrenzung der zu behandelnden Tiere kann es hilfreich sein, einen gezielten Beruhigungsgriff anzuwenden, um das Rind zunächst an die ungewohnte Situation zu gewöhnen und es zu entspannen.
Während die Akupunktur, d.h. die Behandlung mit Nadeln nur von speziell ausgebildetem Fachpersonal (z. B. Tierarzt, Heilpraktiker) durchgeführt werden darf, können auch Laien mit etwas Wissen und Übung bestimmte Punkte mit Fingerdruck stimulieren. Denn bei der Akupressur handelt es sich um eine für Laien abgewandelte Form der Akupunktur. So kann jeder Tierhalter Akupressur bei seinen Rindern anwenden.

Im Bereich des ersten Brustwirbels befindet sich ein Punkt, der bei Berührung zur Entspannung führt. Bild: SVLFG

Energieautobahnen durch den Körper

Das Wissen um Akupunktur bzw. Akupressur stammt aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Grundlegend ist dabei die Annahme des Qi (gesprochen „tschi“), was am ehesten mit „unsichtbare Lebensenergie“ übersetzt werden kann. Dieses Qi fließt in bestimmten Hauptkanälen, sogenannten Meridianen, durch den Körper.
Zwölf Meridiane durchziehen symmetrisch das gesamte Lebewesen an der Körperoberfläche. Zusätzlich haben sie eine Verbindung zu bestimmten Organen, es wird deshalb z. B. vom Lebermeridian gesprochen. Mit der Akupressur kann direkt auf das Qi eines Lebewesens eingewirkt werden.

Die Akupressurpunkte nahe der Augenhöhle sind Beruhigungspunkte, korrekt gedrückt sinkt bereits nach wenigen Augenblicken der Kopf des Rindes entspannt ab. Bild: SVLFG

Entspannung durch Druck

Um Akupressur ausüben zu können, sollte für Mensch und Tier eine möglichst ruhige Umgebung vorherrschen. Nehmen Sie sich selbst einen Augenblick, um zur Ruhe zu kommen. Das ist besonders wichtig. Druck allein wird das Rind nicht beruhigen, wenn Sie dabei hektisch und lautstark am Telefon verhandeln.
Die einzelnen Punkte können mit dem Daumen oder den Fingerspitzen gedrückt werden. Die Druckintensität hängt von der Sensibilität des jeweiligen Tieres ab.

Intensität und Dauer richtig wählen

Um einen Qi-Ausgleich zu bewirken, sollte in etwa eine Minute lang massiert werden. Anfangs nur sanft, bis unter leicht kreisenden Fingerbewegungen im Uhrzeigersinn der Druck stetig erhöht wird.
Zeigt das Rind Schmerz- oder Abwehrreaktionen, ist der Druck zu stark. Starker Druck für etwa zwei Minuten wirkt beruhigend. Leichter und kurzer Druck für etwa 30 Sekunden hat eine belebende Wirkung, Energien werden mobilisiert.

Die Massage der Schwanzwurzel entspannt das Rind. Bild: SVLFG

Milchfluss stimulieren

Auch der Milchfluss kann über Akupressur stimuliert werden. Der Punkt dafür befindet sich an der unteren seitlichen Bauchwand der Kuh, wo die Eutervene von außen in der Bauchwand „verschwindet“. Am besten wird der Punkt zeitnah vor dem Melken auf einer oder auf beiden Seiten stimuliert. Bei sehr nervösen Erstmelkkühen, deren Milchader noch verkrampft ist, wird dieser Punkt ca. zwei Minuten lang kräftig massiert. Dadurch entspannt sich das Tier, folglich auch die Vene, und die Milch kann fließen.

Kälber zum Saufen animieren

Wenn Kälber nach der Geburt nicht saugen, kann Akupressur eine wertvolle Hilfe sein, um den Saugreflex zu stimulieren. Die Akupressurpunkte liegen im Maul des Kalbes am Gaumen. Hinter der Oberlippe in der Mitte des Gaumens ist eine kleine Linie, die sich Y-förmig aufteilt. Am Ende der Y-Schenkel sind zwei kleine Öffnungen gut erkennbar. Das sind die Ausführungsgänge des Jakobsonschen Organs (Riechorgan). Genau auf diesen Öffnungen werden Zeige- und Mittelfinger aufgesetzt und mit zunehmendem, kreisendem Druck etwa eine Minute lang gedrückt.

Wichtig: Akupressur kann nicht heilen, aber in vielen Bereichen kann sie unterstützend eingesetzt werden!

Beratungs- und Kursangebot der SVLFG

Die SVLFG bietet Seminare zum sicheren Umgang mit Rindern an. Teilnehmende werden dort für die Wahrnehmung und das natürliche Verhalten von Rindern sensibilisiert, um gefährliche Situationen und Unfälle zu vermeiden.
Weitere Informationen sowie die zuständigen Ansprechpartner finden Sie auf der Homepage der SVLFG.

Kälber zum Saufen anregen (simuliert an einer Milchkuh). Bild: SVLFG

Corinna Niemeier, SVLFG

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