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Die Ziegenbande am Ammersee

Die Ziegenbande am Ammersee

Franziska Eigner-Höpfl hat nach dem Abitur, während ihres Freiwilligen Ökologischem Jahr, ihre Vorliebe für Ziegen entdeckt. Mit fünf eigenen Ziegen ging es los. Jetzt plant sie einen neuen Stall für 240 Tiere plus Nachzucht inklusive 24/7 Markt und Käserei.

Franziska Eigner-Höpfl aus Rieden, einem Ortsteil von Dießen am Ammersee hat derzeit (Oktober 2023) einen sehr stressigen Alltag. Sie steht um 4 Uhr auf, versorgt ihre Ziegen, arbeitet Teilzeit in einem Bio-Laden und packt auf der Baustelle mit an. Zwischen den einzelnen Stationen muss sie jeweils einige Kilometer zurücklegen. Zeit, die auf der Straße verloren geht. Trotzdem nimmt sie sich die Zeit, mir von der Ziegenbande Ammersee und ihren Plänen zu berichten.

Franziska Eigner-Höpfl und ihr Mann Michael Höpfl sind die Anführer der Ziegenbande Bild: Eigner-Höpfl

Auf die Ziege gekommen

Die 34-jährige hat nach dem Abitur ein Freiwilliges ökologisches Jahr auf einem Mutterkuhbetrieb gemacht. Dort gab es drei Ziegen zum Streicheln für Kindergruppen, die den Hof besuchten. Hier wurde die junge Frau zur Ziegenliebhaberin. Später studierte Eigner-Höpfl Ökologische Landwirtschaft in Witzenhausen. In dieser Zeit hielten die ersten Ziegen Einzug und es wurden immer mehr.

2013 gründete Ziegenhalterin die Marke „Ziegenbande Ammersee“, später stieg auch ihr Mann in das Unternehmen ein. Neben den menschlichen Bandenmitgliedern gehören derzeit rund 100 Tiere dazu, drei Viertel gehören der Rasse Thüringer Waldziege und ein Viertel der Rasse Weiße Deutsche Edelziege an. Zum Zeitpunkt meines Besuches stehen die Ziegen noch in einem gepachteten Milchviehstall im 4 km entfernten Utting. Vater Franz verarbeitet die Milch in seiner Mikrokäserei im ca. 3 km entfernten Holzhausen am Ammersee und kümmert sich um die Vermarktung. Das Angebot erstreckt sich über Moricco (eine Art Mozzarella), Quark, Frischkäse, hirtenkäse und Camembert. Auch das Fleisch der Kitze bzw. Wurstwaren daraus werden feilgeboten.

Der Verkaufswagen für den Wochenmarkt

Große Pläne

Eigner-Höpfl lebt mit ihrem Mann auf dem Jackelhof, dem Milchviehbetrieb ihrer Schwiegereltern. In 200 m Entfernung liegt der Bauplatz für den neuen Ziegenstall. Das Paar plant den Stallbau bis Spätsommer 2024 zu beenden. Neben den Stallungen soll eine Heubergehalle mit Trocknung und eine Käserei entstehen. Käse und Fleisch sollen über einen 24/7-Laden vermarktet werden. Der Laden soll Anfang/ Mitte 2025 in Betrieb genommen werden. Voraussetzung ist, dass die neue Käserei steht. Alles in allem rechnet Eigner-Höpfl mit einem Investitionsvolumen von rund 2,1 Mio. €.

Aktuell werden alle Einnahmen aus dem laufenden Betrieb und Eigner-Höpfls Verdienst aus dem Bioladen reinvestiert. Um die Kosten gering zu halten, passiert auf der Baustelle viel in Eigenregie. Sowohl Mann Michael als auch Vater Franz sind Handwerker und können ihr Wissen und ihre Kontakte gut einbringen. Zusätzlich hat sich die Ziegenhalterin dazu entschieden, Genussscheine auszugeben und so zusätzliches Eigenkapital in das Vorhaben zu bringen.

Bauplatz für den neuen Ziegenstall Bild: Eigner-Höpfl

Genussscheine für mehr Eigenkapital

Das Konzept kennt sie aus dem Bio-Laden La Vida, in dem sie Teilzeit arbeitet und auch einen Teil ihrer Produkte vermarktet. Ein Genussschein ist vergleichbar mit einer Mischform aus Aktie und Anleihe. Interessenten zeichnen Anteile von 500 oder 5.000 €, dabei kann eine Person auch mehrere Anteile erwerben. Die Laufzeit der Anlage liegt zwischen fünf und sechs Jahren. Die Anleger können entscheiden, ob sie ihre Zinsen in Form von Geld oder Produktgutscheinen erhalten wollen. Anleger, die ihre Gutscheine nicht vor Ort einlösen können, wird die Ware zugeschickt. „Mit meiner Idee spreche ich die Emotionen der Leute an. Das trägt auch zur Kundenbindung bei“, reflektiert die Unternehmerin. Derzeit investieren rund 90 Teilnehmer in das Vorhaben der jungen Frau.

Emotionen allein sind kein ausreichend stabiles Fundament für das Vorhaben. Die Landwirtin hat sich intensiv Gedanken dazu gemacht, wie der Betrieb künftig aussehen soll. Immerhin wollen sie und ihr Mann, beide haben derzeit eine Teilzeitstelle außerhalb der Landwirtschaft, künftig ausschließlich von der Ziegenhaltung leben. Gemeinsam wollen sie die Landwirtschaft betreiben. Für die Käserei sollen zwei Personen eingestellt werden. Vater Franz will sich aus der Produktion zurückziehen und sich ganz auf die Vermarktung auf den Wochenmärkten in Utting und Inning konzentrierten.

Ziegen-Camembert und andere Käsespezialitäten werden zukünftig in einem 24/7 Laden angeboten Bild: Eigner-Höpfl

Vermarktung im 24/7-Laden

Neben dem Absatz über Wochenmärkte und Bio-Läden können Kunden Käse, Quark, Fleisch und Wurst in einem 24/7-Laden kaufen. Dieses Vermarktungskonzept funktioniert ohne Ladenpersonal. Einkäufer identifizieren sich über ihre EC- bzw. Kreditkarte. Die ausgewählten Produkte werden abgescannt und können bar oder mit Karte gezahlt werden. Kameras überwachen den Füllstand der Regale vor und nach dem Besuch eines Kunden. „Ladenpersonal ist teuer, Vertrauensbasis funktioniert leider nicht mehr, da haben wir uns verschiedene andere Systeme angeschaut“, begründet Eigner-Höpfl ihre Entscheidung. Der Betrieb liegt an einer Straße mit viel Durchgangsverkehr, darunter auch Ammersee-Touristen. Das Konzept musste auch für diesen Kundenkreis attraktiv sein.

Die Käserei ist ausreichend groß geplant, um die verschiedenen Verkaufswege bedienen zu können. Neben der Ziegenmilch soll Kuhmilch vom Jackelhof verarbeitet werden. Für zusätzliche Auslastung der Produktionskapazität will Eigner-Höpfl auch die Möglichkeit zur Lohnkäserei anbieten.

Mehr Ziegen, mehr Absatz

Um die Nachfrage aber auch die Kredite zu bedienen, will das junge Paar künftig 240 Ziegen melken. Auch wenn die Ziegenzüchterin eine Freundin der Thüringer Waldziege ist, werden künftig mehr Weiße Deutsche Edelziegen Einzug halten. Die weißen Ziegen sind leistungsstärker als ihre gemusterten Kolleginnen. Um künftig mehr Milch verarbeiten und vermarkten zu können, kommen die Kitze direkt an einen Tränkautomaten. Aktuell bleiben sie zwei Monate bei der Geiß. Gefüttert werden die Kitze mit Kuhmilch vom Jackelhof.

Die männlichen Kitze werden mit sieben bis neun Monaten geschlachtet und von einem befreundeten Metzger verarbeitet. Neben Fleischpaketen werden Wurst- und Glasware sowie Burger-Patties angeboten. Die Ziegenhalterin konnte sich für die Vermarktung der Fleisch- und Wurstwaren mittlerweile einen guten Kundenstamm aufbauen. Teilweise kann sie die Nachfrage nicht vollständig oder nur mit Warteliste bedienen.

Unbedingt MLP

Melken wollen Eigner-Höpfl und ihr Mann in einem Doppel-24er-Melstand mit Frontaustrieb. Für die Milcherzeugerin steht fest: „Will man mit der Milch Geld verdienen, ist die MLP unerlässlich“. Im neuen Melkstand sollen trotz höherer Kosten hofeigene Milchmengenmessgeräte verbaut werden. Das macht den Ablauf des Probemelkens angenehmer. Die Daten werden per ADIS an das LKV Bayern übertragen. Die Auswertungen sind Grundlage für Herden- und Gesundheitsmanagement. Sie bieten objektive Entscheidungshilfe für Fütterung und Selektion sowie eine wirtschaftliche Erfolgskontrolle.

Die Ziegen werden im neuen Stall in zwei bis drei Gruppen gehalten. Das macht die bedarfsgerechte Fütterung der Tiere leichter. In der Umstellungsphase will die Tierhalterin ihre Ziegen jährlich lammen lassen, um den Tierbestand aufzustocken. Danach soll jedoch ein Teil der Ziegen durchgemolken werden, um die Anzahl der Kitze zu reduzieren.

Franziska Eigner-Höpfl und Jungziegen der Rasse Thüringer Waldziege

Genetik

Das Decken der Ziegen sollen künftig zwei oder drei Böcke je Rasse übernehmen. Derzeit hat Eigner-Höpfl einen Bock der Rasse Weiße Deutsche Edelziege und zwei der Rasse Thüringer Waldziege. Die Böcke werden in einem anderen Stall gehalten, um die Geruchsübertragung auf die Milch zu vermeiden. Böcke bezieht die Züchterin über Berufskollegen oder deren Kontakte. Die Thüringer Waldziege ist eine Erhaltungsrasse. Es gibt nur fünf Bocklinien. Eigner-Höpfel nimmt an einem Projekt zum Erhalt der genetischen Diversität teil. Weiße Edelziege Böcke sind leichter zu haben, allerdings muss man auf Einkreuzung niederländischer Genetik achten. Die Zuchtkriterien in den Niederlanden unterscheiden sich von den deutschen. Das Einkreuzen anderer Milchziegenrassen ist zulässig und kann zu Farbfehlern führen, die einen Ausschluss aus dem deutschen Zuchtbuch nach sich ziehen.

Das Ziel vor Augen

Die Ziegenbande arbeitet darauf hin, die Heubergehalle bis Weihnachten 2023 fertigzustellen, damit die Ziegen vorübergehend darin unterkommen. Um das Bauvorhaben schnell voranzutreiben, kommen Fertigbauwände zum Einsatz.

Weitere Informationen über die Ziegenbande Ammersee sind auf www.ziegenbande.de zu finden. Wer Interesse an Genussscheinen hat oder in Kontakt mit Franziska Eigner-Höpfl und ihrem Team treten will, kann sie per E-Mail über servus@ziegenbande.de anschrieben.

 

Sonja Hartwig-Kuhn

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