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Rehkitzrettung mit Wärmebildkamera

Rehkitzrettung mit Wärmebildkamera

Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie Sie die diesjährige Rehkitzrettung vorbereiten können. Das Kitzrettungsteam Oberhofen gibt Ihnen dazu Einblick in seine Erfahrungen.

Rehkitz in Rettungskiste Foto: O. Keller

Wir sind ein ehrenamtliches Kitzrettungsteam aus Oberhofen im Landkreis Mühldorf. Zu unseren Mitgliedern gehören Landwirte, Jäger, Naturinteressierte und Anwohner vom Revier. Für die Kitzrettung engagieren wir uns schon viele Jahre mit herkömmlichen Methoden wie Suchhunden, akustischen und visuellen Signalen zum Vertreiben der Kitze und Geißen. Diese Maßnahmen kosten Zeit, ihr mäßiger Erfolg ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie dem Alter der Kitze, der Erfahrung der Geiß, der Topografie des Geländes, der Höhe des Bewuchses und der Position der akustischen Wildretter.

2021 haben wir eine Drohne mit Wärmebildkamera angeschafft und konnten so den Erfolg unserer Arbeit auf nahezu 100 % steigern. Sicher, zeiteffizient und mit sehr hoher Trefferquote können wir nun das Leben von Wildtieren retten. Wir konnten zahlreiche Landwirte überzeugen. Immer wieder sagen sie uns: „Ich hab‘ noch nie so entspannt gemäht.“ Es ist ein Unterschied, ob der Bauer während der gesamten Mahd angespannt auf dem Schlepper sitz oder genau weiß, ob und wo er aufpassen muss.

Unser Antrieb zur Rehkitzrettung

Wir wollen das grausame Ausmähen von Kitzen und anderen Wildtieren verhindern. Wir wollen damit Tierleid vermeiden, dazu gehört es auch, Vergiftungen von Nutztieren abzuwenden. Nicht zuletzt wollen wir die damit einhergehenden psychischen Belastungen aber auch rechtliche Folgen für die Landwirte ausschließen. Mit unserem Bericht wollen wir unsere Erfahrungen teilen und zeigen, was bei uns gut funktioniert.

Unser Team hat sich für eine private Finanzierung der Drohne entschieden. Andernorts wurden Vereine gegründet, die 2023 Anrecht auf bis zu 60% Förderung hatten. (Informationen zum Förderzeitraum 2024 auf www.ble.de). Wir wünschen uns, dass mittelfristig jedes Revier, bzw. jede Jagdgenossenschaft eine eigene Drohne mit Wärmebildkamera sowie ein Team zur Kitzrettung besitzt. So kann eine flächendeckende Wildtierrettung ermöglicht werden. Weitere Informationen zur Kitzrettung sowie eine Übersicht regional aktiver Kitzrettungsteams finden Sie unter www.deutsche-wildtierrettung.de.

Der Ablauf einer Rehkitzrettung

Rechtzeitig vor der ersten Mahd besprechen wir mit den verschiedenen Grundbesitzern im Gebiet, welche Wiesen in welcher Reihenfolge gemäht werden sollen und speichern die Daten im Controller der Drohne ein. Die Landwirte können uns beispielsweise über den BayernAtlas (www.geoportal.bayern.de/bayernatlas) oder Google Maps die Flächendaten bequem zukommen lassen. Die Drohne fliegt dann später beim Einsatz die Flächen eigenständig ab und der Pilot kann sich auf das Erkennen der Tiere konzentrieren. Die Flugdauer je Fläche wird von der Drohne dokumentiert. All das spart später Zeit und hilft bei der künftigen Planung. Spätestens einen Tag vorher muss der Landwirt uns über die anstehende Mahd informieren. 

Je nach Witterung fliegen wir von Anfang Mai bis Ende Juni. Auch bei der Heumahd sind teilweise noch sehr kleine Kitze in den Feldern. Bedenken Sie, dass die Kitze nicht ausschließlich in Wiesen abgelegt werden, in der Setzzeit (April bis Juni) können sie sich auch z.B. in Zweitfrüchten (Grünroggen, Kleegras) befinden.

Ein Kitz wurde gefunden

Wird ein Kitz entdeckt, sollte hier vorrangig gemäht werden. Ist dieses Feld gemäht, brauchen wir vom Feldbewirtschafter unverzüglich die Information, um das Kitz schnellstmöglich wieder freizulassen. Deshalb sollten vorher die Handynummern ausgetauscht werden. Alles muss darauf ausgelegt sein, Kitz und Geiß maximal vier Stunden voneinander zu trennen. Wurde ein Kitz gesichtet, stoppt der Pilot den Flug und lässt die Drohne über dem Fundort schweben, bis wir mit unserer Rettungskiste dort sind. Per Funkgerät stehen wir miteinander in Kontakt. Sobald wir das Kitz gefunden haben, stellen wir die Kiste ein paar Meter vor dem Kitz ab und heben es umwickelt mit einer dicken Schicht Gras in die Kiste und verschließen diese sofort mit Kabelbindern. Liegen zwei Kitze sehr nah zusammen, verfrachten wir sie gemeinsam in eine Kiste.

Der Controller der Drohne zeigt Foto und Wärmebild mit Kitz (roter Punkt). Bild: O. Keller

Die Geißen werden durch die Ereignisse oft stark verunsichert. Besonders kritisch sind die ersten drei Tage nach der Geburt, weil die Bindung zwischen Geiß und Kitz noch nicht endgültig ausgeprägt ist. Daher dürfen Flächen, auf denen eine Geburt im Gange ist bzw. erst vor wenigen Momenten stattgefunden hat, nicht gemäht werden. Damit die Geiß das Kitz nicht verstößt, dürfen keinesfalls fremde Gerüche auf das Kitz übertragen werden, Hautkontakt zum Kitz muss unbedingt vermieden werden. Wir benutzen Einmalhandschuhe, die wir vorher kräftig mit ausgerissenem Gras der jeweiligen Wiese einreiben. Alle unnatürlichen Gerüche (Parfum, Zigarettenrauch etc.) haben bei der Rettungsaktion nichts zu suchen.

Die richtige Kiste zum Sichern der Kitze

Zum Sichern der Kitze nutzen wir spezielle Kisten mit fixiertem Klappdeckel, nach denen wir lange gesucht haben. Die Deckel verschließen wir mit Kabelbindern, damit das Kitz nicht entkommen kann. Zusätzlich kann der Deckel Schatten spenden. Unsere Kisten haben geringes Eigengewicht und sind leicht zu reinigen. Wir sichern die Kiste im angrenzenden, höher bewachsenen Feld bzw. Wald, möglichst im Schatten. Unsere Kisten sind nummeriert, damit wir keine vergessen. Zusätzlich setzen wir mit dem Handy einen GPS-Punkt, falls ein anderes Teammitglied das Kitz später wieder freilässt.

Freilassung des Kitzes

Nach Möglichkeit versuchen wir zu erfassen, wohin die Geiß gelaufen ist, um in dieser Richtung die Kiste abzustellen und das Kitz auch dort wieder freizulassen. Die Freilassung darf maximal 100 m vom Fundort erfolgen. Wir überprüfen, ob angrenzende Flächen ebenfalls bald gemäht werden und abgeflogen werden sollten. Zur Vorbereitung gehört auch, sich vorab geeignete Ablagestellen für die Kitze zu überlegen. Finden wir keinen optimalen Ablageort, bitten wir den Landwirt, einen Bereich von ca.20 m2 stehen zu lassen, um das Kitz dort abzulegen.

Nach der Mahd legen wir das Kitz mit dem Gras aus der Wiese in die nächste Deckung. Schnell entfernen wir uns von der Ablagestelle. Bestenfalls kontrollieren wir oder der Jagdpächter am Abend nochmals, ob das Kitz von der Geiß abgeholt worden ist.

Der Einsatz einer Drohne mit Wärmebildkamera vermeidet den Mähtod zahlreicher Rehkitze Bild: O. Keller

Dauer und Uhrzeit einer Rehkitzrettung

Wir rechnen mit ca. 15 Minuten pro 10 ha. Bei uns hat sich eine Flughöhe von 40 m mit einer Geschwindigkeit von 4 m/ Sekunde und einer Überlappung von 30 % bewährt. Die Einsatzdauer pro Feld ist abhängig von der Anzahl der zu bergenden Kitze, der jeweiligen Witterung sowie der Tageszeit. Die Analyse mit der Wärmebildkamera ist abhängig von der Boden- und Umgebungstemperatur sowie dem Einstrahlungswinkel der Sonne. Daher eignen sich besonders die kühleren Morgenstunden bis ca. 9 Uhr, bei Bewölkung auch länger.

Pragmatismus

Der Zeitpunkt des Flugs muss sich immer nach dem Zeitpunkt der Mahd richten und der ist abhängig von der Arbeitszeiteinteilung des Tierhalters. Die Drohne muss keinesfalls mitten in der Nacht gestartet werden, Hauptsache Kitz und Geiß sind möglichst kurz voneinander getrennt. Flüge ab spätem Nachmittag nehmen Tierhalter gut an, wenn sie die Mahd nach der abendlichen Melkzeit planen. Auch berufstätigen Jägern bzw. Drohnenpiloten kommt dies entgegen.

Ist die Zeit knapp, fliegen wir zunächst besonders gefährdeten Wiesen ab. Das sind Wiesen, Kleegras oder Grünroggen neben Wäldern und Flächen, die Geißen schon im Vorjahr besucht haben. Auch wenn ausschließlich diese Flächen abgeflogen werden, haben wir schon viel gewonnen.

Zuständigkeiten

Nach dem Tierschutzgesetzt darf kein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund getötet werden. Der Mähtod eines Kitzes kann als vorsätzlicher Verstoß dieses Gesetzes als Straftat mit Geld- bis Freiheitsstrafen gewertet werden. Der Landwirt ist verpflichtet, den Jagdausübungsberechtigtem zu informieren sowie zumutbare und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Nach dem Verursacherprinzip ist damit der Landwirt für das Absuchen seiner Flächen verantwortlich. Für den Jagdpächter ergibt sich eine Mitwirkungspflicht. Auch die Beauftragung eines Lohnunternehmens entbindet den Landwirt nicht. Je enger die Absprache und konstruktiver die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, desto wirksamer das Ergebnis.

Wer darf die Drohne fliegen?

Für die Wildtierrettung sollte immer ein erfahrener Jäger dabei sein, Jäger sind im korrekten Umgang mit Wildtieren geschult. Der Revierpächter sollte über die Maßnahmen informiert werden, idealerweise ist er aber mit im Team. Zum Fliegen einer Drohne ist ein Führerschein notwendig, der ab einem Alter von 16 Jahren in kurzer Zeit online absolviert werden kann. Die Technik ist simpel und jedes gefundene Kitz verursacht ein unheimliches Glücksgefühl.

Vorgehen je Schnitt

1. Schnitt:

  • Mehr Fläche, dafür geringerer Zeitaufwand pro Wiese à Es sind ein Drohnenpilot und mindestens ein Läufer notwendig.
  • Beim ersten Schnitt (meistens 1. Mai Woche) kommen wir schnell voran, die Kitze sind meist noch sehr klein und lassen sich ausnahmslos aus der Wiese tragen.
  • Die Kitze lassen wir spätestens nach vier Stunden wieder frei, um die weitere Versorgung durch die Geiß zu sichern. In unserem Einsatzgebiet (1.100ha) konnte dieser Zeitrahmen immer eingehalten werden.

2. Schnitt:

  • Mehr Fläche, je nach Anzahl der Kitze mittlerer Zeitaufwand pro Wiese à Es sind ein Drohnenpilot und ein bis zwei Läufer notwendig.
  • Entgegen vielen Meinungen finden wir auch beim zweiten Schnitt ca. 3-4 Wochen nach dem ersten Schnitt (ca. Ende Mai) wieder etliche Kitze, oft auch im Kleegras und Grünroggen.
  • Meist ist es noch möglich, die Kitze in den Kisten zu sichern. Bei Zeitmangel machen wir schon am Abend vor der Mahd eine Bestandsaufnahme, um manche Flächen so weit wie möglich auszuschließen.

3. Schnitt bzw. Heumahd oder Programmwiesen:

  • Weniger Fläche, dafür höherer Zeitaufwand und wärmere Temperaturen – schon morgens ist der Boden aufgewärmt à Ein Drohnenpilot und zwei Läufer sind notwendig, sonst läuft man den Kitzen im Kreis hinterher.
  • Bestenfalls bleiben wir vor Ort, bis ein kleiner Teil der Wiese zumindest angemäht ist. Wenn das nicht möglich ist, stecken wir kurzfristig ein paar akustische Wildretter in die Wiese.
  • Im Gegensatz zu den ersten beiden Schnitten ist hier ein zügiges Mähen, am besten sofort nach dem Drohneneinsatz unabdingbar. Die Kitze laufen sonst in ihren Einstand zurück! Unsere Landwirte stehen meist schon vor Ort und mähen sofort hinter uns her.
  • Die Kitze sind meist schon zu groß, um sie zu fangen, allerdings oft noch zu klein, um dem Mähwerk entkommen zu können (Duckreflex). Sie müssen aus der Wiese getrieben werden!
  • Es ist erstaunlich, wie zuverlässig die Kitze selbst bei hohem Gras mit der Drohne gefunden werden, Hauptsache es ist noch nicht zu heiß.

Unsere Ausrüstung

Über die Jahre haben wir unsere Erfahrungen gemacht, aus Fehlern gelernt und herausgefunden, was gut funktioniert. Hier die Ausrüstung die sich für uns bewährt hat:

  • Drohne DJI Mavic Enterprise advanced mit mindestens 4 Akkus (Flugzeit ca.15 min. pro Akku)
  • Alternativ die neue Drohne DJI Mavic M3T mit 4 Akkus (Flugzeit ca.30 Min. pro Akku)
  • Ladegerät – wir verwenden entweder zusätzlich eine Batterie mit Spannungswandler bzw. den Batteriespeicher von Ecoflow. Auch der Controller muss bei längeren Flugstunden aufgeladen werden. Die Ladekapazität über den Zigarettenanzünder reicht bei viel Fläche nicht aus!
  • Powerbank für Controller
  • Handsprechfunkgeräte (mind. 2 Stück)
  • Kisten (mind. 6 Stück) – wir verwenden Alutec 600x400x320mm mit passendem Deckel 600x400mm, weil diese mit Luftlöchern ausgestattet ist. Wir fixieren vorher schon den Deckel auf der einen Seite mit einem Kabelbinder, somit haben wir ein Scharnier.
  • Expander haben sich bei uns nicht bewährt, da größere Kitze ausbrechen.
  • Zangen zum Entfernen der Kabelbinder
  • Einmalhandschuhe
  • Wasserabweisende Hose und Schuhe

 

Kitzrettungsteam Oberhofen

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