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Nutztiere sind unverzichtbar für eine nachhaltige und klimaschonende Landwirtschaft

Nutztiere sind unverzichtbar für eine nachhaltige und klimaschonende Landwirtschaft

Nutztiere werden vielfach als Umweltverschmutzer und Klimakiller dargestellt, die hungernden Menschen das Essen wegfressen. Am nachhaltigsten und klimafreundlichsten sei der völlige Verzicht auf Nutztiere, so eine häufig geäußerte Meinung. In der Tat kann an der gegenwärtigen Tierhaltung viel Kritik geübt werden, aber mit der Abschaffung von Nutztieren würde man das Kind mit dem Bade ausschütten.

Wiederkäuer sind die effizientesten Transformer nicht-essbarer Biomasse, bei konstanten Tierzahlen = konstanter Methanemmission kommt es zu einem Gleichgewicht der Methankonzentration.

Die globale Lebensmittelsicherheit steht vor großen Herausforderungen. Ungebremstes Wachstum der Weltbevölkerung, hoher Flächenverbrauch durch Urbanisierung, Erosion und Wüstenbildung im Zuge des Klimawandels lassen die pro Mensch verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche in den kommenden Jahrzehnten dramatisch sinken. Auf der anderen Seite verfüttern wir ein Drittel der globalen Ernte an Getreide und Mais sowie mehr als drei Viertel des Sojas an Nutztiere. Das meiste davon ist lebensmitteltauglich und könnte den Hunger auf der Welt mildern. Hinzu kommen Landnutzungsänderungen, die den Klimawandel weiter anheizen. Und dann erzeugen die Wiederkäuer auch noch das starke Treibhausgas Methan. An diesem Punkt ist die Versuchung groß, in einer Landwirtschaft ganz ohne Nutztiere den umweltfreundlichsten und klimaschonendsten Weg der Erzeugung von menschlicher Nahrung zu sehen. Diese Argumentation ist jedoch zu stark verkürzt, denn sie ignoriert die Existenz der großen Mengen an nicht-essbarer Biomasse, die mit der Erzeugung von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft unvermeidlich gekoppelt ist.

Landwirtschaft erzeugt überwiegend nicht-essbare Biomasse

In erster Linie erzeugt Landwirtschaft nicht etwa menschliche Nahrung, sondern schlichtweg erntbare Biomasse aus ganzen Pflanzenteilen. Aus diesem Material müssen die eigentlichen Lebensmittel erst mühevoll extrahiert werden. Dabei fallen große Mengen an nicht-essbarer Biomasse an. So landet beispielsweise von der geernteten Weizenpflanze nur ein Drittel der Biomasse im Weizenmehl, die übrigen zwei Drittel sind Koppelprodukte auf den Acker (Stroh, Spreu) sowie Nebenprodukte aus der Weiterverarbeitung des Ernteguts (Kleie aus der Müllerei). Bei vielen anderen Pflanzenkulturen ist die Ausbeute an essbare Nahrung noch weit geringer. Hinzu kommt die Notwendigkeit zur Fruchtfolge auf dem Acker und insbesondere in der biologischen Landwirtschaft auch noch die Gründüngung (z.B. Kleegras), die ausschließlich nicht-essbare Biomasse liefert. Eine weitere Quelle an nicht-essbarer Biomasse ist Dauergrünland, das aus topographischen und klimatischen Gründen nicht ackerfähig ist. Weltweit stellt es mehr als drei Viertel der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche, in Deutschland sind es 30 %. Fasst man alle Quellen an essbarer und nicht-essbarer Biomasse einschließlich der Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie zusammen, so entstehen in Deutschland je Kilogramm pflanzliches Lebensmittel mindestens 4 kg nicht-essbare Biomasse.

Im Pflanzenbau fallen nennenswerte Mengen nicht-essbarer Masse an, sie über Tiere zu zusätzlichen Lebensmitteln zu veredeln, ist die effizienteste Art der Verwertung. Abbildung: www.dialog-rindundschwein.de
Nutztiere liefern aus der nicht-essbaren Biomasse einen doppelten Gewinn

Die nicht-essbare Biomasse enthält enorme Mengen an Pflanzennährstoffen, die wieder auf die Nutzflächen zurückgeführt werden müssen. Hierzu stehen drei Strategien zur Verfügung: auf dem Feld verrotten lassen, in einer Biogasanlage vergären und die Gärreste als Dünger nutzen, oder an Nutztiere verfüttern und die Wirtschaftsdünger zurückführen. Verrotten lassen ist ineffizient, da die Freisetzung der Pflanzennährstoffe mit dem Bedarf der Pflanzen im folgenden Anbaujahr nicht synchronisiert ist. Die Düngewirkung und damit auch die Ernte im Folgejahr fallen dementsprechend gering aus. Gärreste und Wirtschaftsdünger sind dagegen lagerbar und gezielt ausbringbar. Dementsprechend hoch ist deren potenzielle Düngerwirkung und der damit erzielbare Gewinn an pflanzlicher Nahrung im Folgejahr. Aus der Sicht des Pflanzenbaus sind demnach Gärreste und Wirtschaftsdünger gleich gut zu beurteilen. Aber nur die Nutztiere produzieren über die Förderung der Pflanzenproduktion hinaus auch noch zusätzliche Lebensmittel. Die damit erzielbaren Mengen an Kilokalorien und höchstwertigem Eiweiß liegen bei 50 bis 100 % der jeweiligen Nährstoffmengen aus der pflanzlichen Basisproduktion. Mit anderen Worten, die Einbindung der Nutztiere in die Kreislaufwirtschaft der nicht-essbaren Biomasse steigert die Anzahl an Menschen, die mit derselben Nutzfläche ernährt werden können, um mindestens die Hälfte.

Klima-Killer-Kuh ist ein überzogenes Narrativ

Wiederkäuer sind die effizientesten Transformer von nicht-essbarer Biomasse in hochwertige Lebensmittel, emittieren bei der Verdauung des Futters jedoch klimaschädliches Methan (CH4). Deshalb werden sie von den Standardmethoden der Berechnung von Klimawirkungen mit besonders hohen Fußabrücken abgestraft.

In der Tat ist CH4 ein starkes Treibhausgas (etwa Faktor 85 gegenüber CO2), aber es wird in der Atmosphäre rasch zu CO2 abgebaut (Halbwertszeit 8 bis 12 Jahre) und gelangt so wieder zurück in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf. Diese Dynamik unterscheidet CH4 grundlegend vom extrem langlebigen CO2, das über fossile Energieträger massenhaft in die Atmosphäre eingetragen wird und sich dort fortlaufend anreichert.

Bei konstanten Tierzahlen, genauer gesagt, bei konstanter Emissionsrate, kommt es rasch zu einem Gleichgewicht an neu emittiertem CH4 und dem Abbau an CH4 aus früheren Emissionen. Die aktuellen CH4-Emissionen haben dann keinen anheizenden Effekt mehr auf das Klima und die einzig relevante Größe ist nur noch die atmosphärische Gleichgewichtskonzentration an CH4. In dieser Situation befinden wir uns in Deutschland. Die Anzahl an Wiederkäuern und die damit assoziierten CH4-Emmissionen sind inzwischen unter das Niveau der vorindustriellen Zeit gesunken und der Tierbestand nimmt immer noch weiter ab. Die daraus resultierende Gleichgewichtskonzentration an CH4 ist derart niedrig, dass selbst eine Abschaffung der Wiederkäuer kaum noch einen relevanten Klimaeffekt auslösen würde. Die Standardmethoden der Berechnung von CO2-Fußabdrücken sind jedoch nicht in der Lage, diese Dynamik des CH4 in der Atmosphäre abzubilden. Sie führen zu einer massiven Überschätzung der Klimawirkung der CH4-Emissionen aus den Wiederkäuerbeständen Deutschlands.

Völlig anders sieht die Klimawirkung des Methans in Ländern aus, die eine stetige Zunahme an Wiederkäuern zu verzeichnen haben, etwa in Südamerika oder Südasien. Hier wird fortlaufend zusätzliches CH4 emittiert, das noch nicht im Gleichgewicht mit dem Abbau aus vorhergehenden Emissionen steht und deshalb seine negative Wirkung auf das Klima voll entfalten kann.

Wiederkäuer sind die effizientesten Transformer von nicht-essbarer Biomasse in hochwertige Lebensmittel.
Zu viele Nutztier schaden Umwelt und Klima, zu wenige aber auch

Die nicht-essbare Biomasse unterliegt unweigerlich dem Stoffkreislauf und setzt den darin gebundenen Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor usw. wieder frei. In Bezug auf die Emissionen macht es also keinen prinzipiellen Unterschied, ob die nicht-essbare Biomasse einfach nur verrottet, über Biogasanlagen verwertet wird, oder in die Nutztierfütterung gelangt. Nur das CH4 der Wiederkäuer macht einen stofflichen Unterschied. Die Kreislaufwirtschaft der nicht-essbaren Biomasse hält jedoch die Bestände an Wiederkäuern und die daraus resultierende Gleichgewichtskonzentration an CH4 in der Atmosphäre auf einem sehr niedrigen Niveau, so dass auch das CH4 der Wiederkäuer keinen relevanten Klimaeffekt ausüben kann.

Der Verzicht auf die Verfütterung der nicht-essbaren Biomasse an Nutztiere hat demnach keine grundsätzlich entlastende Wirkung auf Umwelt und Klima. Der Verlust an hochwertigen Lebensmitteln tierischer Herkunft müsste von einer veganen Landwirtschaft durch Intensivierung des Ackerbaus und/oder durch Verbrauch zusätzlicher Ackerflächen kompensiert werden. Beides steigert die Emissionen pro Nährstoffeinheit an menschlicher Nahrung (Kilokalorien, Nahrungseiweiß, etc.). Mit anderen Worten, die Ernährung eines einzelnen Menschen verursacht ohne Nutztiere einen größeren Druck auf Umwelt und Klima als ein ausgeglichenes System mit Nutztieren. Das Gleiche passiert jedoch auch dann, wenn die Intensität der Nutztierhaltung in Richtung Nahrungskonkurrenz und Landnutzungsänderungen gesteigert wird. Das Minimum der Wirkungen auf Umwelt und Klima wird dann erreicht, wenn sich Nutztierhaltung und Pflanzenbau in der Balance der Kreislaufwirtschaft einpendeln.

Vegane „Alternativen“ für tierische Lebensmittel werden erst durch Nutztiere nachhaltig

Vegane „Alternativen“ für Milch, Fleisch und Eier sind wie alle anderen Lebensmittel pflanzlicher Herkunft unweigerlich mit großen Mengen an nicht-essbarer Biomasse gekoppelt. So gelangt beispielsweise beim Haferdrink nur ein Drittel der eingesetzten Biomasse des Hafers in das Verkaufsprodukt. Der Rest ist hochwertiges Nutztierfutter und wird vielfach auch als solches verwertet. Bildlich gesprochen zieht jeder Liter Haferdrink etwa 1,5 Liter Kuhmilch nach sich. Diese Kombination ist durchaus nachhaltig und sinnvoll, denn die ursprünglich eingesetzte Biomasse wird hierdurch vollständig verwertet und erzielt einen hohen Gesamtgewinn an Nahrung für den Menschen (vegan + tierisch). Vegane Produkte sind somit keine Alternativen, sondern vielmehr synergistische Partner einer vielgestaltigen Kreislaufwirtschaft mit Nutztieren.

In vitro-Fleisch und ähnliche Produkte der zellulären Landwirtschaft sind dagegen anders zu beurteilen. Die biotechnologischen Verfahren erfordern einen höchstwertigen Input an Biomasse, wie etwa das Kulturmedium, das an die wachsenden Muskelzellen des in vitro-Fleischs „verfüttert“ wird. Es besteht aus reinsten Nährstoffen (Glukose, Aminosäuren, Fettsäuren, usw.), die aus bereits existierender pflanzlicher Nahrung erst aufwändig extrahiert und sorgfältig aufgereinigt werden müssen. Solche zellulären Produkte haben aufgrund ihrer hohen Reinheit und stofflichen Definition für bestimmte industrielle Zwecke durchaus ihre Berechtigung. Sie sind jedoch massive Nahrungskonkurrenten des Menschen und somit keine nachhaltige Alternative für Lebensmittel tierischer Herkunft.

Minimale Umwelt- und Klimawirkung werden erreicht, wenn sich Nutztierhaltung und Pflanzenbau in der Balance der Kreislaufwirtschaft einpendeln. Abbildung: www.dialog-rindundschwein.de
Schlussfolgerungen

Es kommt also darauf an, aus der begrenzt verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche mit möglichst geringer Umwelt- und Klimawirkung ein Maximum an Lebensmitteln zu erzeugen. Dies gelingt nur unter Einbindung von Nutztieren in einer ausgeglichenen Kreislaufwirtschaft unter Vermeidung von Nahrungskonkurrenz. Das primäre Ziel ist die Gewinnung von möglichst viel pflanzenbasierter Nahrung aus landwirtschaftlicher Biomasse. Nutztiere übernehmen erst in einem zweiten Verwertungsschritt die Transformation der unweigerlich anfallenden, nicht essbaren Biomasse in weitere Nahrung für den Menschen. Der Rest an Biomasse ist energetisch zu verwerten, etwa in einer Biogasanlage. Landwirtschaftliche Biomasse hat somit folgende Nutzungskaskade: Teller, Trog, Tank.

Kreislaufwirtschaft bedeutet aber auch eine starke Limitierung von Menge und Qualität des verfügbaren Futters und damit ein Rückgang der Gesamtmenge an erzeugten Lebensmitteln tierischer Herkunft gegenüber der aktuellen Situation. Bei Milch und Fleisch von Wiederkäuern sind noch vergleichsweise geringe Einbußen zu erwarten, den Wiederkäuer werden in Deutschland seit jeher überwiegend mit nicht-essbarer Biomasse gefüttert. Die Produktion von Schweinefleisch und erst recht von Geflügelfleisch und Eiern würde jedoch massiv sinken, denn diese Tiere benötigen eine hohe Futterqualität. Umso wichtiger wird in dieser Situation die Maximierung der Futtereffizienz: low input – high output.

Insgesamt geht es nicht um die Nutztierhaltung an sich, sondern vielmehr um ihre Balance innerhalb des Ernährungssystems und die Nutzung der Biomasse im Sinne einer regenerierbaren Ressource, die nicht verschwendet werden darf, weder die essbare noch die nicht-essbare.

 

Prof. Dr. Wilhelm Windisch

Technische Universität München

Prof. Wilhelm Windisch, TUM: Die Nutztierhaltung ist notwendig für eine nachhaltige und klimaschonende Landwirtschaft. Bild: W. W.

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