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Modelkuh Kathi zu Besuch beim Bäuerinnen-Arbeitskreis

Modelkuh Kathi zu Besuch beim Bäuerinnen-Arbeitskreis

Welche Leserin kennt das nicht: Die Männer sind alle unterwegs und just in diesem Moment steht eine schwere Geburt an. Kein Problem, sagt TGD-Tierärztin Corinna Schneider aus Traunstein und zeigt den Bäuerinnen im Arbeitskreis von LKV-Fütterungsberaterin Jeanette Stockbauer, wie es geht und auf was sie achten müssen. Unterstützt wird die Geburtsexpertin dabei von Kuhmodel Kathi vom Netzwerk Fokus Tierwohl sowie Katharina Burgmayr und Christina Greimel von der LfL.

Modelkuh Kathi unterstützt die Geburtsexpertinnen bei der Schulung.

Auch bei schweren Geburten ist nicht allein Kraft notwendig, um der Kuh zu helfen. Für Tierärztin Corinna Schneider vom TGD sind Ruhe, strukturiertes Vorgehen und eine gute Technik für den Erfolg entscheidend. Im Rahmen eines vorangegangenem Arbeitskreistreffen hat sie den Bäuerinnen aus den Arbeitskreisen bereits die Theorie zur Geburtshilfe nahegebracht. Nun steht die Praxis auf dem Plan. Um die richtigen Griffe und was es zu beachten, gilt anschaulich zu demonstrieren, wird Schneider von Modelkuh Kathi, ihren beiden Kälbern sowie die Tierwohlmultiplikatorinnen Katharina Burgmayr und Christina Greimel von der LfL begleitet.

Die LfL-Mitarbeiterinnen bereiten alles vor. Ein Kalb kommt in die Kuh, eines bleibt auf dem Tisch liegen. Die „Gebärmutter“ von Kathi wird mit künstlichem Fruchtwasser, einer glibberigen durchsichtigen Masse, aufgefüllt. Vor Kathi steht eine Leiter, die die Stalleinrichtung versinnbildlichen soll.

LKV-Arbeitskreise für Bäuerinnen

Arbeitskreisleiterin Jeanette Stockbauer begrüßt die Teilnehmerinnen. Die LKV-Fütterungs- und Haltungsberaterin leitet drei Bäuerinnen-Arbeitskreise. Der anwesende Arbeitskreis richtet sich insbesondere an Bäuerinnen aus den Landkreisen Traunstein und Piding, die selbst ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft kommen und auf einen Betrieb eingeheiratet haben. Die jungen Frauen stammen von Betrieben mit 20 bis 120 Kühen.

LKV-Arbeitskreisleiterin Jeanette Stockbauerbegrüßt die Teilnehmerinnen zum Geburtsvorbereitungskurs mit Modelkuh Kathi.

Netzwerk Fokus Tierwohl

Die LfL-Mitarbeiterinnen geben einen kurzen Überblick zum Netzwerk Fokus Tierwohl (siehe Kasten). Das Bundesprojekt hat 17 Verbundpartner. In Bayern ist das die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Mit verschiedenen Maßnahmen soll der Wissenstransfer in die Praxis verbessert werden. Mit der lebensgroßen Simulationskuh „Kathi“ werden beispielsweise Veranstaltungen rund um die Geburt des Kalbs angeboten. Mit nützlichen und greifbaren Angeboten werden schweine-, geflügel- und rinderhaltende Betriebe in Deutschland mit Blick auf eine tierwohlgerechte, umweltschonende und nachhaltige Nutztierhaltung zukunftsfähig gemacht.

Die Tierwohlmultiplikatorinnen der LfL sind u. a. für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung sowie Durchführung der Veranstaltungen zuständig. In Zusammenarbeit mit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Projektpartnern werden Schulungen, Workshops, Seminare und Betriebsbesichtigungen organisiert. Das Veranstaltungsangebot ist für alle Teilnehmer aufgrund der Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) kostenfrei.

Das Netzwerk Fokus Tierwohl will mit Angeboten wie der Modelkuh Kathi die Tierhalter in Deutschland für aktuellen und künftige Herausforderungen rüsten.

Vorbereitung ist alles

Bevor es losgeht, werden alle Teilnehmerinnen mit Handschuhen, die über den gesamten Arm reichen, ausgestattet. Tipp für schmale Frauenhände: Einfach einen engeren Melkhandschuh drüberziehen, dann hält der lange Handschuh besser. Als nächstes rät Schneider dazu, die kalbende Kuh zu fixieren. Allerdings nicht im Fressgitter, zu gefährlich, falls eine Kuh einmal niedergeht, sondern angebunden mit einem Halfter. Sie empfiehlt einen „Panikknoten“ (auch Anbindeknoten), um das Tier im Fall der Fälle schnell lösen zu können.

Die Tierärztin betont, dass Hygiene das A und O ist und rät daher dazu, den Schwanz der Kuh mit einem weiteren Strick am Halfter zu befestigen. Selbstverständlich muss auch der gesamte Abkalbebereich sauber sein. Es empfiehlt sich ein Geburtswagen mit Gleitgel, Seife, sauberen Handtüchern, ausgekochten Geburtsstricken parat stehen zu haben. Eine Gießkanne hilft dabei, das Genital der Kuh unter der Geburt bei Bedarf immer wieder abzuspülen.

Wie geht’s der Kuh

Bevor es nun an die Geburtshilfe geht, muss geprüft werden, ob die Kuh stabil ist. Ältere Kühe oder auch solche, die bereits die ganze Nacht gepresst haben, sind erschöpft oder haben bereits einen Kalziummangel. Solchen Kühen sollte Wasser angeboten oder vielleicht sogar eine Infusion gelegt werden.

Die Untersuchung der Kuh beginnt damit, abzutasten, wie weit der Muttermund geöffnet ist und ob die Gebärmutter eventuell verdreht ist. Während eine Kalbung am besten im Liegen gelingt, ist es für die meisten Korrekturen erforderlich, dass die Kuh steht. Immer wieder betont Schneider die Notwendigkeit strukturiert vorzugehen. Die weiteren Untersuchungen betreffen das Kalb. Hier heißt die Reihenfolge: Lage, Stellung, Haltung. Gerade bei älteren Kühen mit ausgeprägter Körpertiefe kann es notwendig werden, dass das Kalb hochgeholt werden muss. Ziehen Sie unbedingt immer mit der Wehe am Kalb. Zuerst wird ertastet, ob sich das Kalb in Vorder- oder Hinterendlage befindet. Orientieren Sie sich dabei an der Anzahl der Gelenke des Kalbes.

Mit dem Panikknoten werden kalbende Kühe für Untersuchung und Hilfeleistung fixiert und können schnell wieder gelöst werden. Bild: Markus Bärlocher Gemeinfrei

Strukturen kennen

Egal in welcher Lage sind das Kalb befindet, seine Stellung muss so ausgerichtet sein, dass die Wirbelsäule nach oben zeigt. Die Korrektur der Stellung ist Geburtshilfe für Fortgeschrittene. Gerade bei kleineren Kälbern kann es dennoch auch ohne tierärztliches Instrumentarium gelingen, ein Kalb von einer unteren in eine obere Stellung zu drehen. Die Landwirtinnen haben verschiedene technische Tricks und Kniffe ausprobiert.

„Man kann nur Geburtshilfe leisten, wenn man weiß, wo das Problem liegt“ macht die Geburtsexpertin klar. Es ist daher unerlässlich, die Strukturen von Geburtstrakt und Kalb im Kopf zu haben, zu wissen, wie es sich anfühlen und aussehen soll, um Abweichungen zu erkennen. Das lernen die Teilnehmerinnen an Kathi und ihren Kälbern. Mit dem Kalb auf dem Tisch kann Schneider Lagen, Stellungen und Haltungen der Kälber anschaulich machen. Die intrauterine Untersuchung von Kathi verschafft den Bäuerinnen das nötige Fingerspitzengefühl.

Schutz der Gebärmutter

Schließlich kann auch die Haltung der Gelenke bzw. des Kopfes vom Kalb vom Soll abweichen. Wird die Stellung von Gelenken oder Kopf korrigiert, legen Sie immer Ihre Hand unter die Klauen bzw. um das Maul, um die Gebärmutter vor Verletzungen durch Klauen oder Zähne zu schützen. Kommt das Kalb vorwärts, müssen die vorderen Gliedmaßen gestreckt sein. Hat das Kalb ein oder beide Beine gebeugt, vergrößert das den Durchmesser des Schultergürtels, was die Geburt verhindert. Die Tierärztin rät, mit beiden Händen und Armen zu arbeiten, was Frauen meist gelingt: Das erleichtert einerseits die Korrektur der Haltung und dehnt andererseits den Geburtstrakt der Kuh.

Am Kälbermodel auf dem Tisch verknüpfen die Teilnehmerin Sehen und Spüren, um später ein Bild im Kopf zu haben.

Geburtsstricke

Als Zughilfe rät Schneider zu weichen Geburtsstricken in schwarz und rot. „Kauft euch davon gleich fünf Paar! Ihr könnt sie in der Waschmaschine waschen, sie bleiben weich und sie sind günstig beim Landhändler zu haben“, weiß die Tierärztin. Bei Mehrlingsgeburten helfen die verschiedenen Farben dabei, die Gliedmaßen der Kälber zuzuordnen.

Die Teilnehmerinnen üben das Anlegen der Stricke. Die Stricke müssen immer oberhalb vom Fesselgelenk positioniert werden. Der Knoten sollte an der Beininnenseite liegen. Bei Fehlhaltungen kann es hilfreich sein, die Stricke entsprechend höher anzusetzen, um Haltungskorrekturen vorzunehmen. Dank Kathi konnten solche Komplikationen schmerzfrei geübt werden.

„Kauft euch davon gleich fünf Paar!“ Tierärztin Corinna empfiehlt weiche, waschbare Geburtsstricke in schwarz und rot.
Das Ziehen am Kalb unter der Geburt ist unnatürlich und darf deshalb nur wohldosiert mit den Wehen durchgeführt werden.

Immer mit der Wehe

Das Ziehen am Kalb ist eigentlich unnatürlich und muss deshalb wohldosiert im Einklang mit den Wehen durchgeführt werden. Die Wehenpausen sollen auch als Pausen für die Zughelfer, die Kuh und das Kalb genutzt werden. Zusätzlich kann der Damm, das ist der Bereich zwischen After und Vulva durch Gegendruck mit der Hand vorm Einriss geschützt werden. Warmes Wasser, viel Gleitgel und Akkupunktur können bei der Weitung der Scheide beitragen. Normalerweise „flutscht“ das Kalb schnell heraus, sobald der Kopf draußen ist. Sollte aber Schulter- oder Beckengürtel des Kalbes hängen bleiben, kann es helfen, das Kalb etwas zu drehen.

Versorgung des Kalbes

Schließlich muss auch das Kalb versorgt werden. Neuste Forschungsergebnisse raten davon ab, den Nabel des Kalbes zu behandeln, außer er ist zu kurz oder gänzlich ausgerissen. Das Kalb sollte so früh wie möglich etwa 10% seines Körpergewichts an Biestmilch aufnehmen. Oft brauchen insbesondere Kälber aus Schwergeburten Hilfe bei der Aufnahme des Kolostrums bzw. sollten mit 4 Liter Biestmilch gedrencht werden, falls sie nicht aus eigener Kraft trinken können. Es lohnt sich das Kalb gut trockenzureiben und zu wärmen. Dazu eigenen sich Rotlichtlampen, Kälberdecken oder auch Wärmflaschen und vor allem dick eingestreut trockenes, frisches Stroh. Außerdem sollte das Zahnfleisch überprüft werden. Ist dieses blau oder zeigt einen dünnen roten Strich an der Stelle, wo die Zähne austreten, ist Handlungsbedarf geboten und der Hoftierarzt sollte hinzugezogen werden.

Die Frauen haben viel mitgenommen. Da sie selbst unterschiedliche Erfahrungen mitgebracht haben, konnten sie auch untereinander Tipps austauschen. Sie wissen nun, was zu tun ist und können auch selbst Hand anlegen. Dank Kathi haben sie nicht nur ein Bild im Kopf, sondern auch das Gespür für die Strukturen einer Geburt.

Corinna Schneiders wichtigste Tipps zur Geburtshilfe

  • Hygiene ist das A und O: Tragen Sie Handschuhe oder waschen Sie sich gründlich die Arme, halten Sie Kuh und Geburtsbereich sowie alle Gegenstände zur Geburtshilfe sauber!
  • Es braucht nicht immer nur Kraft, sondern Ruhe und Fingerspitzengefühl und eine gute Technik. Sollten Sie nach einer viertel Stunde nicht weiterkommen, holen Sie sich Hilfe.
  • Verinnerlichen Sie die Strukturen: Nur wenn Sie die Strukturen von Kuh und Kalb kennen, erkennen Sie auch, wenn etwas nicht stimmt.
  • Frauen können das!

Netzwerk Fokus Tierwohl

Um Tierhalter in Deutschland nachhaltig zu stärken und sie dabei zu unterstützen, Tier- und Umweltschutz, Qualität bei der Produktion sowie Marktorientierung zu priorisieren, wurde das bundesweite Netzwerk Fokus Tierwohl gegründet. Das Verbundprojekt hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, um schweine-, geflügel- und rinderhaltende Betriebe in Deutschland hinsichtlich einer tierwohlgerechten, umweltschonenden und nachhaltigen Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen. Mehr unter www.fokus-tierwohl.de.

Das Netzwerk Fokus Tierwohl ist eingebettet in das Bundesprogramm Nutztierhaltung. Mit der Projektträgerschaft hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) beauftragt.

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