Körners Hofladen
Vom Quereinsteiger zum Landwirt aus Leidenschaft. Lesen Sie, wie Stephan Körner zum ausgezeichneten Tierhalter, Metzger und Direktvermarkter wurde.
Was passiert, wenn ein Kind ohne elterliche Landwirtschaft seine Kindheit im benachbarten Kuhstall verbringt? Es wird Landwirt aus Leidenschaft, Direktvermarkter und Metzgermeister. Kein Witz, wir haben es mit eigenen Augen gesehen als wir Stephan Körner und Martin Augustin besucht haben.
Als wir auf dem Aussiedlerbetrieb nahe Friedberg ankommen, sind sie noch mit einer anderen Besuchergruppe unterwegs. Eine ehemalige Auszubildende, auch Quereinsteigerin aus der Baubranche, ist mit einer Gruppe Architekten gekommen. Sie wollen sich die Stallbaulösungen genauer anschauen, um daraus ein eigenes Konzept zu entwerfen.
Drei eigenständige Partner – ein Standort
Auf der Hofstelle stehen ein Schweinestall, ein Stall für Mutterkühe, eine 75 kW Biogasanlage, das Schlachthaus und Wirtschaftsgebäude. Im Schweinestall stehen rund 960 Mastschweine auf Stroh mit einem großen Luftraum, in dem die Schweine auch Außenklimareize aufnehmen können. Als Beschäftigungsmaterial stehen den Schweinen neben reichlich Einstreu auch Beißblumen und Knabberstangen zur Verfügung. Die Ferkel bezieht Körner von zwei Ferkelerzeugern aus dem Landkreis. Herr der Schweine ist Körner selbst. Rinder und Biogasanlage gehören seinem Kooperationspartner Martin Augustin.
Der Rinderstall bietet Platz für 150 Tiere der Rasse Pinzgauer. Die Kühe leben gemeinsam mit einem Bullen in kleinen Gruppen mit viel Einstreu aus Stroh und Dinkelspelz. Die Kälber werden bis zu einem Alter von etwa neun Monaten von der Mutter gesäugt. Durch einen Kälberschlupf können sie nach Lust und Laune in ihren separaten Ruhebereich wechseln. Kurz vor unserem Besuch Mitte April wurden die ersten Kühe mit Kuhkälbern und einem Bullen auf die Weide ausgetrieben.
Körner und Augustin sind seit Kindertagen befreundet. Kennengelernt haben die beiden sich im Kuhstall von Friedrich Hintermayr, der heute die Expertise für den Ackerbau einbringt. Die drei arbeiten eng miteinander, dennoch haben sie sich nicht für eine Gesellschaftsform entschieden. „Jeder ist Herr seines Bereiches, die anderen helfen bei Bedarf aus. So behält jeder seine Motivation“, ist Körner überzeugt.
Das Futter der Tiere wird nahezu vollständig selbst erzeugt. Auch das Soja für die Schweine bauen die Partner selbst an. Die offenen und großzügigen Stallungen versorgen die Tiere mit Frischluft und ermöglichen ihnen ausreichend Bewegung. Sowohl Körner als auch Augustin setzen auf die Zusammenarbeit mit einem LKV-Ringberater. So legen sie neben der stressarmen Schlachtung und professionellen Weiterverarbeitung den Grundstein für hochwertige Lebensmittel.
Der lange Weg zum Traumberuf Landwirt
Bis Körner und seine Partner da waren, wo sie heute sind, musste einiges passieren. 2001 pachtete er noch während der dreisemestrigen Landwirtschaftsschule einen alten Stall und Flächen. Den Stall baute er zum Schweinestall mit Tiefstreu um. Zwei Jahre später schloss Körner seine Meisterprüfung mit Auszeichnung ab. Außerdem beendete Friedrich Hintermayr, Besitzer des eingangs erwähnten Milchviehstalls, die Milcherzeugung. Nachdem Körner mit der Direktvermarktung von Heidelbeeren gute Erfahrungen gemacht hatte, nutzte er diese Chance und baute den Kuhstall zum Hofladen um.
2004 wurde er mit einem großen Hoffest eröffnet. Im Herzen von Friedberg und nahe Augsburg hat der Laden eine günstige Lage und spricht kaufkräftige Klientel an. Der Laden wird durch seine Fleischtheke geprägt. Im Angebot sind ausschließlich Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Herstellung.
Gunstlage für die Direktvermarktung
Die Nachfrage entwickelte sich prächtig, sodass der Hofladen 2008 um zusätzliche Verarbeitungs- und Sozialräume erweitert wurde. Schlachten ließ Körner bis dahin in Augsburg. Zur weiteren Verarbeitung holte er die Schweinehälften dann wieder ab. Um dem Kunden einen klar nachvollziehbaren Weg vom Futter bis in die Ladentheke bieten zu können, wollte er auch die Schlachtung selbst übernehmen. 2010 absolvierte Körner seinen Metzgermeister.
Ziel: Optimale Bedingungen für Mensch und Tier
Während seiner Zeit in Hintermayrs Kuhstall freundete sich Körner mit Martin Augustin an. Der hatte auch ohne elterlichen Betrieb die Ausbildung zum Agrarbetriebswirt absolviert. Seine Leidenschaft gilt bis heute der Mutterkuhhaltung. Die Wahl fiel auf Grund der eher kargen Grünlandbedingungen und des gutmütigen Verhaltens der Rasse auf Pinzgauer. Die Hofstellen der beiden Tierhalter lagen mehrere Kilometer auseinander, was die Zusammenarbeit aufwendig machte. Die viele Zeit auf der Straße und die behelfsmäßigen und mittlerweile für die wachsende Nachfrage zu klein gewordenen Ställe zerrten an den Nerven. In direkter Nähe zum Hofladen wollten die Freunde eine Hofstelle mit optimalen Haltungsbedingungen für die Tiere und einfachen Arbeitsbedingungen für die Menschen errichten.
Ein Rechtstreit verzögert alles
Man kann es sich kaum vorstellen, aber trotz Ställen mit höchstem Maß an Tierwohl, geringen Tierzahlen und kürzesten Weg zur Schlachtung, begehrten Bewohner aus der Umgebung gegen das Bauvorhaben auf. Nach einem siebenjährigen Rechtstreit konnten Körner und Augustin die Betriebsstätte dann endlich in Betrieb nehmen. Die Biogasanlage wurde 2015 ergänzt. So können Abwasser aus dem Schlachthaus, Mist und Futterreste optimal verwertet werden.
Aufklärungsarbeit: Schlachten gehört zum Fleischgenuss
Nach der Erfahrung mit dem Bürgerbegehren liegt Körner auch die Öffentlichkeitsarbeit am Herzen. Er empfängt jährlich mehrere Besuchergruppen, darunter viele Schulklassen. Ihnen will er die Landwirtschaft aber auch die Schlachtung zugänglich machen. „Wer Fleisch essen möchte, und das sind nun mal die meisten, muss sich auch bewusst machen, dass Tiere dafür geschlachtet werden“, begründet Körner seine Einstellung. Deshalb zeigt er immer auch das Schlachthaus. Die allermeisten Besucher nehmen dieses Angebot mit einer gewissen Ehrfurcht wahr.
Ehrungen und hoher Besuch
Für sein Betriebskonzept erhielt Körner 2022 die Ehrenauszeichnung REGION.TRADITION.INNOVATION des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV). Mit ihm wurden zwei weitere Metzger beziehungsweise Schlachtbetriebe von Staatsminister Thorsten Glauber für besondere regionale Wertschätzung und ein hohes Maß an Tierwohl ausgezeichnet.
Auch die Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Michaela Kaniber war schon bei Körner zu Besuch. Sie stellte ein digitales Tierwohl-Monitoring auf Basis der Schlacht- und Befunddaten, kombiniert mit weiteren betrieblichen Informationen vor. Projektteilnehmer waren der Fleischprüfring Bayern, das LKV Bayern und der Tiergesundheitsdienst Bayern. Die verknüpften Informationen werden im Rahmen eines Tierwohlindexes ausgegeben, können von den Betrieben kostenlos und freiwillig genutzt werden. Ziel ist die Unterstützung beim Gesundheitsmanagement.
Fazit unseres Besuches
Körner ist bewusst, dass sein Betriebskonzept keine Musterlösung für andere Betriebe bietet. Jeder Betrieb braucht Lösungen, die an Standort und persönliche Präferenzen angepasst sein müssen. Seine Geschichte zeigt aber, dass es sich dranbleiben lohnt, wenn man etwas unbedingt will. Auch wenn es Gegenstimmen gibt. Diese Erkenntnis ist dann wiederrum doch allgemein gültig.
Sonja Hartwig-Kuhn