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Kochelseemilchhof – durch elektronische Ohrmarken effizient im Stall

Kochelseemilchhof – durch elektronische Ohrmarken effizient im Stall

Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 hat sich die Kochelseemilchhof GbR in Schlehdorf unter der Leitung der Familien Jocher und Wohlfart kontinuierlich weiterentwickelt. Als Aussiedlerhof ermöglichte der neu errichtete Milchviehstall für anfangs 80 Kühe plus Nachzucht eine flexible Nutzung und optimierte Arbeitsabläufe. Die funktionale und offene Stallkonstruktion des Liegeboxen-Laufstalls wurde beim Bau bereits so gestaltet, dass eine Erweiterung jederzeit möglich ist, die Nutzung größtenteils flexibel bleibt und die Arbeitsabläufe optimiert werden können. Für Anpassungen an neue Gegebenheiten und technische Weiterentwicklungen ist der Betrieb stets offen, wenn es zum Betriebskonzept passt.

Kochelseemilchhof GbR in Schlehdorf im Landkreis Bad-Tölz

Herdenmanagement

Philipp Jocher ist auf dem Kochelseemilchhof für das Herdenmanagement verantwortlich. Der Betrieb bewirtschaftet aktuell eine Herde von rund 240 Milchkühen, wovon etwa 210 Kühe aktiv gemolken werden. Insgesamt arbeiten hier vier Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte und ein bis zwei Auszubildende. Bei der Fütterung der Herde unterstützt ihn seit vier Jahren ein Futterroboter, den Jocher aufgrund der Arbeitszeiteinsparung besonders schätzt. „Vor allem im Sommer, wenn die PV-Anlage optimal ausgenutzt wird, ist dies effizient“, so der 33-jährige Landwirt. Für die gesamtbetriebliche Überwachung der Herde bezogen auf Gesundheit, Reproduktion und Fütterung nutzt er das Smaxtac System, bei dem der Kuh einmalig ein Bolus verabreicht wird. Zugang zur Weide ist für die Herde an 120 Tagen im Jahr möglich.

Die Kälbergesundheit ist Jocher besonders wichtig. Es wird großen Wert daraufgelegt, dass die Kleinsten direkt nach der Geburt ausreichend mit der wertvollen Biestmilch getränkt werden. Für die Versorgung der Kälber ist die Arbeitswirtschaft durch den Einsatz eines Milchtaxis optimiert worden. Weitere Grundvoraussetzung in der Kälberaufzucht ist für Philipp Jocher Hygiene und saubere Kälberiglus. Nach 16 Wochen werden die Kälber abgesetzt. Die Nachzucht ist ausgelagert: Die Jungrinder verlassen den Betrieb im Alter von sechs bis sieben Monaten und kehren etwa zehn Wochen vor der ersten Kalbung zurück.

Die Herde am Kochelseemilchhof ist bunt.

Besonders auffällig ist die Rassenvielfalt in der Herde: Rund ein Viertel besteht aus Jersey-Kühen, ein weiteres Viertel aus Fleckvieh, während die restlichen Tiere der Rasse Holstein angehören. „Die Herde ist so bunt, weil wir zwei Betriebe zusammengelegt haben“, so Philipp Jocher. Für ihn ist die Holstein-Kuh eine ideale Wahl für den Betrieb. Er schätzt insbesondere ihre hohe Leistungsbereitschaft sowie die wirtschaftlichen Vorteile, die sich durch diese Rasse ergeben.

Zum Melken werden im Doppel-12er Side-by-Side Melkstand zwei Personen pro Schicht benötigt. Gemolken wird zweimal am Tag. Die durchschnittliche Milchleistung der Herde liegt derzeit bei beeindruckenden 10.800 Kilogramm pro Kuh und Jahr. Die Milch überzeugt durch ihre hohe Qualität: Der durchschnittliche Fettgehalt liegt bei 4,1 Prozent, während der Eiweißgehalt 3,64 Prozent beträgt. Noch höher liegen die Werte der Jerseykühe, deren Milch mit einem Fettgehalt von 5,80 Prozent und einem Eiweißgehalt von 4,3 Prozent besonders gehaltvoll ist.

Melktechnik am Kochelseemilchhof

Erneuerung der Melktechnik am Kochelseemilchhof – elektronische Ohrmarken als einfache Lösung

Im Dezember 2024 wurde die Melktechnik am Kochelseemilchhof grundlegend modernisiert. Philipp Jocher entschied sich bewusst gegen herkömmliche Systeme wie Halsbänder oder Fußpedometer, da diese seiner Erfahrung nach nicht nur hohe Anschaffungskosten verursachen, sondern auch im laufenden Betrieb durch Verschleiß und umständliche Handhabung Nachteile mit sich bringen. Stattdessen erkundigte er sich bei seinem LKV-LOP Andreas Off, ob eine alternative Lösung, zum Beispiel über elektronische Ohrmarken, möglich sei – insbesondere im Hinblick auf die automatische Erfassung der Milchmenge. Die Antwort fiel positiv aus: Die Nutzung elektronischer Ohrmarken für diesen Zweck ist zuverlässig und praktikabel. Die Allgäuer Firma „Melktechnik Illertal“, die von Manfred Deuring geführt wird, unterstützte die Betriebsleiter bei dem Projekt von Beginn an tatkräftig.

Die Entscheidung für elektronische Ohrmarken (Full Duplex-Technologie) als Lösung öffnete neue Perspektiven für den Kochelseemilchhof. Diese Ohrmarken ermöglichen nicht nur eine präzise und zuverlässige Tieridentifikation, sondern können auch nahtlos in Melktechniksysteme integriert werden, um automatisch tierbezogene Daten zu erfassen. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit, die Milchleistung jeder einzelnen Kuh in Echtzeit zu überwachen. Das bedeutet eine enorme Erleichterung in der täglichen Arbeit, da alle relevanten Informationen direkt erfasst und ausgewertet werden können, ohne dass manuelle Eingriffe erforderlich sind. Die Umstellung auf das neue System erfolgte in Rekordzeit: Innerhalb von nur zwei Tagen wurden bei der gesamten Herde neue Ohrmarken angebracht. Diese schnelle Umsetzung spricht für die sorgfältige Planung und das Engagement aller Beteiligten.

Durch die gute Zusammenarbeit wurde aus der Idee die optimale Umsetzung. Im Bild: Anton Wohlfart, Manfred Deuring und Andreas Wild (v. l. n. r.).

Elektronische Tierkennzeichnung (eTK) für Rinder

Seit dem 18. Juli 2019 sind in Bayern elektronische Rinderohrmarken (eTK) als freiwillige Alternative zu den traditionellen Gewebeohrmarken erhältlich. Diese Änderung basiert auf der geänderten Viehverkehrsverordnung (Verordnung (EG) 1760/2000). Die elektronische Kennzeichnung der Tiere wird als gesetzeskonform anerkannt und ermöglicht eine berührungslose Identifikation der Rinder durch RFID-Technologie. Diese Technik wird vor allem in Verbindung mit automatisierten Stalltechniken wie Melkrobotern, Kraftfutterstationen oder Kälbertränkeautomaten eingesetzt, um die Identifikation der Tiere effizienter zu gestalten.

Nutzung

Die eTK können zusammen mit herkömmlichen Gewebeohrmarken genutzt werden, beispielsweise für weibliche Zuchttiere oder Kälber, während männliche Mastkälber weiterhin mit Gewebeohrmarken gekennzeichnet werden können. Für neugeborene Kälber werden die eTK als Set aus einer Gewebeohrmarke und einer elektronischen Ohrmarke angeboten, wobei die Handhabung der eTK den bisherigen Gewebeohrmarken entspricht. Zudem besteht die Möglichkeit, für bereits gekennzeichnete Tiere eine elektronische Nachprägung (eNP) zu bestellen, bei der die alte Ohrmarke entfernt und durch eine elektronische Ohrmarke ersetzt wird. Dies gilt auch für verlorene Ohrmarken, die bei Bedarf durch eine eNP ersetzt werden können, wobei in bestimmten Fällen auch eine normale Nachprägung ausreicht.

Ohrmarken

Die für Bayern festgelegte elektronische Ohrmarken-Version ist bei allen Ohrmarkenhersteller gleich:

1. Ohr: visuelle Gewebe-Ohrmarke
2. Ohr: Vorderteil - Transponder-Knopf, Rückenteil: kleine Fahne

Aussehen der Ohrmarke

  • Ohrmarkenseriennummern auf jedem Ohrmarkenteil aufgedruckt
  • Transponder-Knopf: Chip ist ein „ROM“ (Read Only Memory), d.h. die Daten sind nach der erstmaligen Speicherung durch den Ohrmarkenhersteller nicht mehr veränderbar.
  • eTK-Ohrmarken-Paare für Kälber haben auch zwei BVD-Probennahme-Stanzen, analog zu den Gewebeohrmarken.
Die ganze Herde wurde mit den elektronischen Ohrmarken bestückt.

Technologie

Vom Landwirt wählbare Technologien:

Fullduplex (FDX):

Ein Full- bzw. Vollduplex-RFID-Lesegerät erzeugt ein kontinuierliches Magnetfeld, durch das der Transponder sofort reagiert. Er wiederholt die gespeicherte Information, wenn das Lesegerät eingeschaltet ist, bis zu 30-mal pro Sekunde.

Halfduplex (HDX):

Ein Half- bzw. Halbduplex-RFID Lesegerät erzeugt kurze magnetische Impulse, die einen Kondensator innerhalb eines HDX-Transponders drahtlos laden. Wenn sich das Lesegerät ausschaltet, wird die gespeicherte Information an das Lesegerät gesendet.

Funktion der elektronischen Ohrmarke

Die elektronischen Ohrmarken enthalten einen passiven Transponder ohne Batterie, der durch ein Lesegerät aktiviert wird und keine eigene Energiequelle benötigt. Es gibt zwei Systeme: FDX und HDX (s.o.), die sich in der Spannungsversorgung und Übertragungsweise unterscheiden. Die Identifizierung erfolgt durch RFID im Bereich von 125 bis 134 kHz und ermöglicht eine berührungslose, automatische Erkennung bis zu 80 cm. Die Ohrmarken senden keine permanente Strahlung und benötigen keine Batteriewechsel, was sie sicher und langlebig macht.

Ein weiteres gern genutztes Tool aus dem LKV-Angebot ist für Philipp Jocher der LKV-Zellzahlsimulator. Die Maske hilft dabei, die Zellzahl bei der Probemelkung zu analysieren, indem der Anteil jeder Kuh an der Gesamtzellzahl berechnet wird, basierend auf ihrer Milchmenge und Zellzahl. Sie zeigt, welche Tiere den größten Einfluss auf die Gesamtzellzahl haben. Außerdem ermöglicht sie eine Simulation, bei der die Gesamtzellzahl sowie der Fett- und Eiweißgehalt angepasst werden können, indem man Parameter wie „nicht in den Tank gemolken“ oder Zielwerte für die Zellzahl verändert. Einmal jährlich wird der MLP-Betriebsvergleich von Jocher als Benchmark für die Herde genutzt. Dieser zeigt die Entwicklung des Betriebs über mehrere Jahre und ermöglicht es, die eigenen Stärken und Schwächen im Vergleich zu regionalen Betrieben ähnlicher Größe zu erkennen.

Ausblick

Die Umstellung im Rahmen der Erneuerung der Melktechnik war für die Betriebsleiter ein Erfolg. Die Abläufe wurden rasch optimiert, und die Daten sind in Verbindung mit der Herdmanagement-Software kompatibel, wodurch eine gute Interpretation ermöglicht wird. Die gute Zusammenarbeit mit dem Pilotbetrieb und dem LKV Bayern beweist, dass die Technik nicht nur praktisch, sondern auch zuverlässig ist. Die ersten Erfolge des Systems wurden bereits nach nur wenigen Wochen sichtbar. Ein herzlicher Dank gilt allen Beteiligten, die mit ihrem Engagement und Einsatz maßgeblich dazu beigetragen haben, diese Umsetzung zu realisieren.

Philipp Jocher bei der täglichen Arbeit im Stallbüro

Für die Zukunft wünscht sich Philipp Jocher, dass die Aufgaben der Landwirte so gestaltet werden, dass ihre Betriebe trotz des Strukturwandels und des zunehmenden Wachstums weiterhin als Familienunternehmen geführt werden können. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist als Landwirt oft ein anspruchsvoller Spagat, der bei zu geringer Wertschätzung durch die Gesellschaft oft unbeachtet bleibt“, so der junge Landwirt und Familienvater. Trotz dieser Herausforderungen blickt er mit großer Motivation in die Zukunft und empfindet seine Tätigkeit als Landwirt erfüllend. Es freut uns, dass wir auf dem Kochelseemilchhof einen Beitrag leisten konnten, die Arbeitsabläufe individuell zu optimieren. Wir wünschen dem gesamten Team des Kochelseemilchhofs alles Gute für die kommenden Herausforderungen und weiterhin viel Erfolg bei der Weiterführung ihres erfolgreichen Familienbetriebs.

Helen Fleckenstein

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