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Eiskalt zum Staatsehrenpreis

Eiskalt zum Staatsehrenpreis

Lena-Maria Fischer (geb. Irrgang) ist frisch gekürte Bäuerin als Unternehmerin des Jahres 2022. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verlieh ihr und drei weiteren Bäuerinnen mit erfolgreichen Einkommenskombinationen zur Landwirtschaft den Staatsehrenpreis. Zwei weitere Frauen erhielten einen Anerkennungspreis.

Auf dem Milchhof Irrgang setzt auf Familienfreundlichkeit und Veredeln. Foto: Fischer

Die 28-jährige Oberpfälzerin bewirtschaftet gemeinsam mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb mit rund 60 Kühen. Die Betriebsphilosophie ist auf Familienfreundlichkeit und Veredeln statt Wachsen ausgelegt. Dazu trägt auf der einen Seite ein Melkroboter bei. Auf der anderen Seite die hofeigene Verarbeitung und Vermarktung der Milch.

Aufsehenerregende Eiskreationen gehören zu Lena-Maria Fischers Spezialitäten. Darüber hinaus engagiert sie sich als Erlebnisbäuerin und macht Kindern die moderne Landwirtschaft greifbar. Als wäre das nicht schon genug, vertritt sie als stellvertretende Vorsitzende die Interessen regionaler Direktvermarkter im Verein LandGenuss Bayerwald. Wie all das gewachsen ist und wie sie ihre verschiedenen Rollen miteinander vereint, verrät uns die Landwirtschaftsmeisterin im Interview.

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Ministerpräsident Markus Söder überreichen Lena-Maria Fischer die Urkunde zur Bäuerin als Unternehmerin des Jahres 2022. Foto: Fischer

Liebe Frau Fischer, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Staatsehrenpreis! Sie wurden für eine wirtschaftlich erfolgreiche und innovative Einkommenskombination zur Landwirtschaft ausgezeichnet. Was genau ist das Konzept Ihres Unternehmens?

Fischer: Leitbild unseres Betriebes ist die gläserne Erzeugung hochwertiger Lebensmittel. Unsere Kunden und Besucher sollen Einblick in alle Abläufe auf dem Hof erhalten.

Wie hat sich ihr Betrieb zu dem entwickelt, was er heute ist?

Fischer: Nach meiner Meisterausbildung stand ich vor der Entscheidung, die Kuhzahl zu verdoppeln oder die Wertschöpfung aus dem Bestand zu erhöhen. Da auch schon mein Vater begeistert von der Idee war, direkt zu vermarkten, haben wir die Gelegenheit genutzt. 2015 haben wir in einem naheliegendem Rewe einen Milchautomaten aufgestellt

Wie bekommen Sie all Ihre Aufgaben unter einen Hut, wie sieht die Aufgabenverteilung auf Ihrem Betrieb aus? Haben Sie Angestellte?

Fischer: Jeder hat seinen Aufgabenbereich und wenn es darauf ankommt, hilft jeder da mit, wo er oder sie gebraucht wird. Meine Eltern kümmern sich vorrangig um den Stall. Seit drei Jahren melkt das AMS. Das ist eine enorme Erleichterung und erhöht unsere Schlagkraft, weil wir nicht mehr an die Melkzeiten gebunden sind. Die Außenwirtschaft ist nahezu komplett an den Betrieb meines Mannes ausgelagert worden. Er betreibt eine Biogasanlage mit Ackerbau. Die Produktion von Eis, Joghurt und Butter übernehmen meine jüngere Schwester, eine Teilzeitkraft und ich. Im Hofladen arbeiten drei weitere Teilzeit-Damen. Vorab hätte ich das nicht gedacht, aber in Stall und Produktion bzw. Vermarktung fallen ungefähr gleich viele Arbeitsstunden im Jahr an.

Stall, Produktion, Verkauf – Jeder hat seinen Aufgabenbereich, wenn es drauf ankommt, hilft man sich gegenseitig. Foto: Fischer

Seit 2018 erzeugen Sie selbst Eis. Warum gerade Eis und insbesondere diese spektakulären Eiskreationen?

Fischer: Die Schwester meines Vaters und ihr Mann waren Gastronomen. Sie hatten unter anderem einige Eis Cafés mit eigenem Eislabor, in dem sie Konditorinnen beschäftigten. Schon vor meiner Zeit hatten meine Tante und mein Vater die Idee, unsere Milch zu Eis zu verarbeiten. Allerdings funktioniert das mit Rohmilch nicht, das Eis bekommt einen karamellartigen Eigengeschmack, der insbesondere bei fruchtigen Sorten stört. Später, nachdem ich in einen Pasteur für die Milchtankstelle investiert hatte, haben wir diese Idee dann wiederbelebt. Mit pasteurisierter Milch funktionierte es. Ich durfte einer der Konditorinnen über die Schulter schauen, um das Eis machen selbst zu erlernen. Darüber hinaus bekam ich die Rezepte aus dem Eislabor meiner Tante. Das war eine wertvolle Starthilfe für mich, auch wenn es sich eher um gewöhnliche Sorten wie Erdbeer, Vanille und Stracciatella handelte. Aber wir konnten auf Basis dieser Rezepte unser Sortiment stetig ausbauen. Mittlerweile haben wir rund 50 verschiedene Sorten. Darunter auch saisonale Kreationen, die wir nur im Winter oder Sommer zubereiten. Jetzt im Winter ist das zum Beispiel Zimt-Orange oder Schwarzwälder Kirsch.

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Ihr Eis auf Grund einer besonderen Fütterung durch hohe Milchinhaltsstoffe extra cremig ist. Was ist das Geheimnis Ihrer Fütterung? (Arbeiten Sie mit einem LKV-Fütterungsberater zusammen?)

Fischer: Für die Produktion von Eis und Joghurt ist ein konstant hoher Fettgehalt von Bedeutung. Deshalb sind uns die Inhaltsstoffe mittlerweile auch wichtiger als die Milchmenge. Schon kleinste Veränderungen in der Fütterung machen sich bei der Verarbeitung sofort bemerkbar. Daher ist uns der Rohfasergehalt der Ration besonders wichtig. Hier setzen wir klar auf die Zusammenarbeit mit LKV-Fütterungsberater Josef Auburger.

Mit der LKV-Fütterungsberatung den Grundstein für leckeres Eis legen. Foto: Fischer

Auf was achten Sie und Ihre Familie im Stall besonders?

Fischer: Wir ermöglichen unseren Kunden und Besuchern von morgens bis abends, den Betrieb zu besichtigen. Die Leute dürfen sich alles anschauen. Aus diesem Grund ist uns Ordnung aber auch die tiergerechte Haltung besonders wichtig.

Verarbeiten und vermarkten Sie ihre gesamte Milch selbst?

Fischer: Nein, wir verarbeiten etwa die Hälfte der Milch selbst, den Rest liefern wir an die Molkerei Goldsteig. Hier ist es mir wichtig, breit aufgestellt zu sein und nicht nur auf ein Pferd zu setzen.

Ihre Produkte sind vielerorts zu haben. Wie schaffen Sie es, in so viele Regale und Gastronomiebetriebe zu kommen?

Fischer: Ich bin stellvertretende Vorsitzende von LandGenuss Bayerwald, ein Netzwerk qualitätsbewusster Landwirte und Gastronomen, die sich für den Erhalt regionaler Produkte, Speisen und der Region. Darüber habe ich viele Kontakte.

Was bedeuten die großen Schlagworte dieser Zeit für Sie und Ihr Unternehmen: Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit und Tierwohl?

Fischer: Wie gesagt, Tierwohl ist für uns sehr wichtig. Vom Rohstoff für die Produktion bis zum Eindruck, den Besucher und Kunden erhalten, hängt sehr viel daran. Auch Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit spielt in unserer Philosophie eine große Rolle. Durch unsere Mitgliedschaft bei LandGenuss sind wir dazu verpflichtet, dass 80% unserer Zutaten und Produkte aus der Region kommen. Daran halte ich mich aus Überzeugung. Ich möchte meine Kunden konsequent mit hochwertigen regionalen Produkten versorgen. Die wissen das auch zu schätzen.

2022 hat Lena-Maria Fischer einen Hofladen eröffnet. Foto: Fischer

Im Jahr 2022 haben Sie schließlich einen Hofladen eröffnet. Was bieten Sie dort alles an? Kooperieren Sie mit anderen Landwirten?

Fischer: Wir bieten Milchprodukte aus eigener Verarbeitung, Rind- und Schweinefleisch aus eigener Haltung an. Weitere Produkte kommen von Landwirten aus der Umgebung, die im Gegenzug auch unsere Produkte vermarkten.

Seit wann laden Sie Kinder auf Ihren Hof ein? Wie laufen solche Besuche ab?

Fischer: Schon meine Mutter hat Kinder auf den Betrieb eingeladen. Schulen, Kindergärten und Mutterkindgruppen kennen uns und sind regelmäßig zu Gast. Viele Kindergruppen kommen im Sommer, kurz vor den Sommerferien, wenn es in der Schule etwas ruhiger wird. Aber auch heute (13.12.2022, Anmerkung der Redaktion) war eine Gruppe da. Die Klasse hatte den Ausflug gewonnen.

Wie wichtig ist Ihnen der Austausch mit den Kindern, Eltern und Kunden?

Fischer: Der Kontakt zu Kunden und Besuchern ist uns besonders wichtig. Wir wollen Kunden binden. Wir sind aber auch stolz auf das, was wir tun und wollen es herzeigen. Nicht zuletzt haben wir durch den direkten Kontakt die Chance, Wissen über die Landwirtschaft und insbesondere die Tierhaltung zu vermitteln.

Fast zu schön zum Essen – kreative Eisideen sind das Spezialgebiet von Lena-Maria Fischer. Foto: Fischer

Wer sind Ihre Kunden? Haben Sie Verdiensteinbrüche auf Grund der aktuellen Lage.

Fischer: Die Hälfte der Milch, die wir selbst verarbeiten geht an Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel. Die andere Hälfte vermarkten wir direkt. Die Milchtankstelle, mit der wir angefangen haben, betreiben wir nicht mehr. Sie musste mittel 50 Liter Kannen befüllt werden. Das ging dann spätestens mit meiner ersten Schwangerschaft nicht mehr. Jetzt füllen wir die Milch in Flaschen ab. Das ist noch dazu hygienischer uns praktischer für die Kunden. Unsere Eistorten werden hauptsächlich zu Hochzeiten, Weihnachten und anderen Familienfeiern geordert. Die Nachfrage nach unseren Produkten ist trotz der aktuellen Lage konstant bis steigend. Die Leute gönnen sich ab und zu den Luxus und sparen dafür an anderer Stelle. Ich habe darüber hinaus den Eindruck, dass die Wertschätzung regionaler Produkte sowie der Nachhaltigkeitsgedanke bei jungen Familien eine immer größere Rolle spielt. Ähnliches bestätigen mir auch andere Direktvermarkter.

Welche Rolle spielt Social Media in Ihrem Unternehmen?

Fischer: Social Media spielt für uns eine sehr große Rolle. Eine Werbeplattform mit diesen Möglichkeiten bietet sich sonst nirgends. Wir können sehr viele Menschen erreichen, auf unsere Produkte aufmerksam machen und zeigen, was wir tun. Natürlich gibt es beim Thema Tierhaltung auch mal Anfeindungen. Aber insgesamt sehe ich Social Media als große Chance und plane auch diese Kanäle noch mehr in unsere Verkaufsstrategie einzubinden.

Was wollen Sie den Familien und insbesondere den Frauen auf den LKV-Betrieben mit auf dem Weg geben?

Fischer: Wir Landwirte sind Unternehmer mit vielseitigen Kompetenzen. Tiergesundheit, Fütterung, Außenwirtschaft, Buchhaltung – wir organisieren so viele Bereiche, dass wir auch stolz darauf sein dürfen. Es ist Wahnsinn, was insbesondere die Frauen auf den Höfen leisten. Das wird oft gar nicht gesehen. Darauf darf man durchaus hinweisen. Für mich persönlich war der Staatsehrenpreis zur Bäuerin als Unternehmerin eine Anerkennung meiner Arbeit, die richtig gutgetan hat.

Liebe Frau Fischer, herzlichen Dank für dieses interessante Interview.

 

Sonja Hartwig-Kuhn

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