Die Wasserversorgung von Kälbern und Jungvieh
Über einen LinkedIn Beitrag von TUM-Professorin für Tierernährung und Metabolismus Julia Steinhoff-Wagner bin ich auf das Thema „Wasserversorgung von Kälbern und Jungvieh“ aufmerksam geworden. Es ist ein eher undankbares, aber dennoch sehr wichtiges Thema. Hängt man den lieben Kleinen Wasser hin, hat man schnell den Eindruck, sie blubbern nur etwas darin herum und im dümmsten Fall koten sie auch noch rein. Lohnt sich der Aufwand also wirklich?
“Klares Ja!” für Wasserversorgung bei Kälbern
„Klares Ja!“ sind sich Prof. Steinhoff-Wagner und ihre Kollegen Dr. Jason Hayer vom Hofgut Neumühle und Franziska Burkhart, Doktorandin von Steinhoff-Wagner einig. Als Kuh braucht das Tier je nach Milchleistung und Umgebungstemperatur bis zu 180 l Wasser am Tag. Der Grundstein für eine hohe Wasseraufnahme der Milchkuh wird beim Kalb gelegt. Sowohl Prof. Steinhoff-Wagner als auch unsere Beraterin Ann-Christin Förtig empfehlen daher ab dem ersten Lebenstag Wasser anzubieten. Getreu dem Motto „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.
Freies Wasser für die Pansenentwicklung
Das Wasser sollte ausschließlich aus freien Oberflächen, z.B. Eimern oder Schalen angeboten werden. Nur so gelangt es direkt in den Pansen und kann dort die Ansiedlung und Vermehrung von Mikroorganismen und damit die Entwicklung zum Wiederkäuer fördern. Durch die frühe Entwicklung des Pansens kann das Jungtier auch schon früh Fasern aus dem Futter verdauen. Die Pansenfermentation stellt Nährstoffe für Wachstum und Entwicklung bereit.
Amerikanische Studien (Wickramasinghe et al., 2019) belegen eine verbesserte Futterverwertung nach dem Absetzen, wenn den Kälbern freies Wasser bereits ab dem ersten Tag statt der zweiten Wochen angeboten wird. Zudem sind die täglichen Zunahmen besser. Nimmt das Kalb Wasser über einen Nuckel auf, kann es über den Schlundrinnenreflex am Pansen vorbei in den Labmagen gelangen und die dortige Milch sowie den Magensaft verdünnen. Dies kann sich auf den pH-Wert auswirken und damit die Gerinnungseigenschaften herabsetzen oder Bakterien weniger gut abtöten. Folgen können eine beeinträchtigte Milchverdauung oder Darmerkrankungen sein.
Wasser für Stoffwechsel und Entwicklung
Der Körper neugeborener Kälber besteht zu 80 % aus Wasser und jedes Gramm Zuwachs besteht auch zum Teil aus Wasser. Auch wenn der Wasseranteil im Körper des Jungtieres zurückgeht, ist Wasser als essenzieller Bestandteil der meisten Stoffwechselvorgänge unersetzlich. Es wird dabei als Lösungs- und Transportmittel benötigt und ist maßgeblich für Zelldruck und Wärmeregulation.
Man könnte meinen, dass die Kälber über Milch genügend Wasser aufnehmen. Aber dieses Wasser fließt als Milch durch den Nuckel aufgenommen, wie oben beschrieben, am Pansen vorbei. Sofern Milch ad libitum angeboten wird, kann man davon ausgehen, dass dieses Wasser für den reinen Körpermassezuwachs ausreicht. Für restriktiv gefütterte Kälber kann diese Annahme nicht getroffen werden.
Fehlt Wasser im Körper durch zu geringe Aufnahme oder Verluste im Falle von Durchfall, verlieren Zellen an Flexibilität und Regenerationsfähigkeit. Sichtbar ist das zum Beispiel beim Hautfaltentest. Das Risiko für das Eindringen von Keimen oder beeinträchtigte Transportmechanismen steigt. Zusätzlich ist wichtig, dass der nicht genutzte Teil des Wassers den Körper über Urin wieder verlässt. Je nach aufgenommener Menge Wasser sind die Urinbestandteile mehr oder weniger stark aufkonzentriert, was man an der Farbe erkennen kann. Für eine optimale Entwicklung des Jungtieres sollte genügend Wasser die Nieren spülen und somit den Tieren ermöglicht werden, urinpflichtige Schadstoffe oder überschüssige Mengen- und Spurenelemente auf diesem Weg loszuwerden.
Trinkwasser für Kälber
Die Experten empfehlen Kälbern ab dem ersten Tag freies Wasser über einen offenen Eimer anzubieten. Die oben erwähnte Studie hat gezeigt, dass Kälber in den ersten 16 Lebenstagen durchschnittlich ca. 0,75 Liter am Tag aufnehmen. Allerdings schwankt die aufgenommene Wassermenge zwischen den Kälbern stark – manche Kälber trinken fast nichts, andere im Liter-Bereich. Daher sollte man die aufgenommene Menge den Kälbern überlassen und ausreichend Wasser anbieten. Hygiene spielt dabei eine besondere Rolle. Das Wasser für Kälber sollte mindestens den Orientierungswerten für Tränkwasser entsprechen. Während Tränkwasser Orientierungswerten unterliegt, bestehen für Trinkwasser Regelungen in der Trinkwasserverordnung. Im DLG Merkblatt399 – Wasserversorgung für Rinder werden Orientierungswerte für Tränkwasser und Grenzwerte der Trinkwasserverordnung gegenübergestellt.
Die Experten empfehlen eine jährliche Wasseranalyse, bei Auffälligkeiten sind häufigere Untersuchungen angeraten. Insbesondere bei der Wasserversorgung über einen Brunnen ist die regelmäßige Laboranalyse unerlässlich. Der Bayerische Tiergesundheitsdienst (TGD) hat verschiedene Untersuchungsmethoden im Angebot.
Hygiene
Die Kontrolle der Wassereimer bzw. -schalen auf Verunreinigungen und deren Wechsel und Reinigung muss Teil der täglichen Routinen sein. Leider ist nicht jeder Kälberstall darauf ausgelegt, dass sowohl Kälberstarter/Kälber-Trocken-TMR und Heu als auch Wasser gereicht werden kann. Achten Sie bei Neuanschaffungen auf die Möglichkeit, mindestens zwei Eimer oder Schalen gleichzeitig einhängen zu können. Befinden sich Ställe ohne diese Option im Bestand lohnt es sich, im Eigenbau Möglichkeiten nachzurüsten.
Ausreichend sauberes Wasser für das Jungvieh
Achten Sie bei älteren Jungtieren darauf, dass ausreichend Möglichkeiten zur Wasseraufnahme vorhanden sind. Die Tiere müssen die Tränkebecken leicht bedienen und genügend weit ihr Flotzmaul eintauchen können. Die Tränken müssen regelmäßig gereinigt werden, weil die Tiere sie bei der Nutzung mit Futterresten, Nasensekret oder auch Kot verschmutzen können. Alte, poröse Leitungen und Tränken müssen ersetzt werden.
Achten Sie auch auf der Weide auf saubere Tränken, die an einem trockenen Standort aufgestellt sind. Ein feuchter Untergrund bietet Parasiten eine optimale Lebensgrundlage. Wasserwannen oder offene Gewässer sind schwer sauber zu halten bzw. zu kontrollieren. Meiden die Rinder die Tränke, ist das eindeutig ein schlechtes Zeichen, es besteht dringend Handlungsbedarf. Auswirkungen einer zu geringen Wasseraufnahme zeigen sich schleichend und können daher nicht immer direkt in Verbindung gebracht werden.
Sauberes Wasser ist Voraussetzung für gesunde Tiere – Einblick in das TGD-Labor von Anita Mengyan-Netzkar (Laborleitung Stoffwechsel) und Dr. Franziska Tausch (Laborleitung Bakteriologie)
Die Qualität von Tränkwasser ist von essenzieller Bedeutung. Minderwertiges Wasser kann diverse Auswirkungen auf die Leistung und Gesundheit von Tieren haben. Geschmackliche Veränderungen können beispielweise zu einer geringeren Wasseraufnahme und damit zu reduzierten Zunahmen führen. Ein zu hoher Keimgehalt kann die Krankheitsanfälligkeit erhöhen. Zudem können pathogene Bakterien wie der Durchfallerreger E. coli übertragen werden. Durch regelmäßige Kontrollen Ihres Tränkwassers erkennen Sie Qualitätsabweichungen frühzeitig und schützen so Ihren Tierbestand. Der TGD bietet hierzu eine Vielzahl an Untersuchungen, darunter physikalisch-chemische Analysen wie Leitfähigkeit, Mineralstoffe und verschiedene Schwermetalle sowie mikrobiologische Untersuchungen unter anderem auf die Gesamtkeimzahl, E. coli und Coliforme Keime. Nutzen Sie das Angebot, um Ihre Tiere optimal zu versorgen und die Tiergesundheit zu garantieren. Unter www.tgd-bayern.de finden Sie weitere Informationen und unser vollständiges Untersuchungsangebot.
Tipps von Ann-Christin Förtig, LKV-Fütterungs- und Haltungsberaterin im Allgäu
Wasser ist das billigste und beste Kraftfutter!
Ich empfehle meinen Landwirten, Kälbern von Anfang an Wasser anzubieten. Wird das Interesse an Wasser früh geweckt, können die Jungtiere auch früh von den Vorteilen profitieren: Wachstum und Entwicklung, Thermoregulation bei Hitze sowie Vorbeugung und Erholung von Durchfallerkrankungen.
Studien zeigen: Wird Kälbern von Anfang an Wasser, Heu und Kraftfutter angeboten, fördert dies Bildung und Wachstum der Pansenzotten. Mehr und ausgeprägtere Pansenzotten können die Stärkeverdauung verbessern. Den Kälbern steht früh mehr Energie für Wachstum und Entwicklung zur Verfügung.
Das Wasser sollte möglichst in sauberen Schalen oder Eimern angeboten werden, keinesfalls aber über einen Nuckel. Die Wasseraufnahme aus einem offenen Behältnis von oben heraus, sorgt dafür, dass das Wasser im Pansen landet. Dort kann es für die Pansenbakterien ein gutes Milieu schaffen und die Pansenentwicklung positiv beeinflussen. Über den Nuckel kommt das Wasser im Labmagen an und verfehlt damit es seine Wirkung. Tränkebecken sind für die Jungtiere oft schwer zu bedienen.
Die Tränkestelle muss für Mensch und Tier gut erreichbar sein. Sie muss sauber gehalten werden. Ich empfehle, dass das Wasser für die kleinsten Trinkwasserqualität haben sollte. Daher sollte Wasser aus eigener Versorgung regelmäßig untersucht werden. Meiden die Tiere die Tränke, zeigt das eindeutig, dass etwas nicht stimmt.
Fazit
Kontrollieren Sie täglich die Tränkmöglichkeiten Ihrer Tiere und beobachten Sie Verhalten und Entwicklung von Kälbern und Jungvieh. Lassen Sie Ihre Tiere nur das Wasser saufen, das Sie auch selber trinken würden!
Sonja Hartwig-Kuhn, Julia Steinhoff-Wagner, Jason Hayer