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CSA-Projekt: Klimaberatung im europäischen Verbund – wie der Milchviehbetrieb von Angelika und Josef Huber dem Klimawandel begegnet

CSA-Projekt: Klimaberatung im europäischen Verbund – wie der Milchviehbetrieb von Angelika und Josef Huber dem Klimawandel begegnet

Im Rahmen des ClimateSmartAdvisors (CSA)-Projekts, das landwirtschaftliche Berater in der Vermittlung klimafreundlicher Praktiken stärkt, lud die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Landshut (FüAK) im Oktober 2024 zu einer Betriebsbesichtigung nach Grabenstätt ein. Im Fokus standen das Projekt selbst, die begleitende Arbeitsgruppe (Community of Practice), kurz CoP, sowie konkrete Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasen am Milchviehbetrieb Josef Huber. Mit dabei war unsere LKV-Fütterungsberaterin Jeanette Stockbauer, die als Mitglied der CoP-Beratergruppe unsere Landwirte praxisnah zu klimafreundlicher Wirtschaftsweise berät.

Angelika und Josef Huber haben ihren Milchviehbetrieb geöffnet, um ihre Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen zu zeigen.

Projekt-Hintergrund

Hintergrund für das EU-weite ClimateSmartAdvisors-Projekt ist der Europäische Green Deal, der 2019 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde und ein ehrgeiziges Ziel hat: Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden – mit einer Verringerung der Treibhausgasemission (THG) bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990. Auch die Landwirtschaft, die für 10,1 Prozent der Emissionen verantwortlich ist, soll ihren Beitrag dazu leisten und Wege finden, THG-Emissionen zu mindern, ohne jedoch die Nahrungsmittelerzeugung zu beeinträchtigen. Bei diesem Schritt bietet sich der Landwirtschaft auch die Chance, sich so anzupassen, dass sie resilienter, also widerstandsfähiger, gegenüber den Folgen des Klimawandels ist – bei gleichzeitiger Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz.

Landwirtschaftliche Berater als zentrale Akteure

Für das Ziel klimafreundliche Landwirtschaft nimmt die landwirtschaftliche Beratung eine wichtige Funktion ein. Die landwirtschaftlichen Beraterinnen und Berater können als zentrale Akteure klimaintelligente Maßnahmen und den Wissensaustausch unter Landwirten fördern, um den Übergang zu klimafreundlichen Landwirtschaftssystemen europaweit zu beschleunigen. So soll eine nachhaltige und widerstandsfähige Zukunft für die Landwirtschaft gesichert sowie dem Klimawandel aktiv entgegengewirkt werden.

Mobilisierung durch selbstorganisierte Arbeitsgruppen

Das übergeordnete Ziel des CSA-Projekts liegt darin, die staatliche, halbstaatliche und private landwirtschaftliche Beratung in der EU zu mobilisieren, um klimafreundliche Praktiken unter Landwirten in ganz Europa zu fördern und zu etablieren. Den Kern des Projekts bilden dabei die CoPs, das sind selbstorganisierte Arbeitsgruppen, die aus bis zu fünf Beratern, den Climate Smart Advisors, und einem Koordinator, dem Climate Smart Coach, bestehen. Als Basis in den Arbeitsgruppen der CoPs dient der gegenseitige Wissensaustausch, der unter den Beratern selbst stattfinden soll, um gemeinsame Lösungen für eine klimagerechte Landwirtschaft zu erarbeiten. Gezieltes Netzwerken und fachliche sowie überinstitutionelle Zusammenarbeit spielen dabei eine wichtige Rolle. Insgesamt trifft sich die CoP acht Mal in einem Zeitraum von zwei Jahren. Die deutschlandweite Koordination des CSA-Projekts hat das Grünland Zentrum Niedersachen/Bremen e.V. übernommen. Das Projekt startete Ende Mai 2023 und ist auf sieben Jahre angelegt. Beteiligt sind 72 Beratungsorganisationen aus 25 EU-Mitgliedsstaaten sowie Großbritannien und Serbien. Deutschland ist neben dem Grünland Zentrum Niedersachen/Bremen mit der Bioland Beratung GmbH und der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vertreten. Die Gesamtleitung des Projekts liegt beim Flanders Institute for Agriculture, Fisheries and Food (ILVO) in Belgien.

CSA-Beraterin im LKV

Im Rahmen des Projekts gibt es derzeit europaweit rund 1.500 Berater, von denen 140 zu Climate Smart Coaches ausgebildet werden. Diese Multiplikatoren sollen wiederum das entsprechende Knowhow an ihre 1.360 Kollegen, die Climate Smart Advisors, weitergeben und sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Eine davon ist unsere LKV-Fütterungsberaterin Jeanette Stockbauer. Sie ist als Climate Smart Advisor und mit ihrem spezifischen Fachwissen zur Fütterung Teil der CoP-Beratungs- und Schulungsgruppe, die von Annelie Bernhart und Ingeborg Bauer von der FüAk initiiert und aufgebaut wurde und den Fokus zunächst auf Milchvieh richtet. Gemeinsam waren sie bei der Betriebsbesichtigung von Angelika und Josef Huber vor Ort und haben sowohl das CSA-Projekt und seine bayerische Vertretung als auch die klimafreundlichen Maßnahmen, die Josef Huber und seine Frau bereits umsetzen, vorgestellt.

Unsere Fütterungsberaterin Jeanette Stockbauer berät LKV-Mitglieder auch zu klimafreundlichen Maßnahmen.

Hubers nutzen den THG-Rechner

Wie viele Treibhausgasemissionen erzeugt unser Betrieb? Diese Frage beschäftigte auch Angelika und Josef Huber. Auf Initiative von Jeanette Stockbauer haben die beiden den kostenlosen THG-Rechner der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Anspruch genommen, um einen Überblick über ihre Treibhausgasemission sowie über Einsparungspotenziale zu erhalten. Mit dem Planungsprogramm „LfL Klima-Check “ haben sie zusammen mit Vanessa Karger von der LfL herausgefunden, wie viele Treibhausgasemissionen ihr Betrieb produziert und wo sie Veränderungen vornehmen müssen, um die THG-Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig besteht mit dem Tool die Möglichkeit, zukünftige Szenarien zu berechnen und Vermeidungspotenziale zu analysieren. „Die Landwirte erhalten mit der Onlineanwendung die Möglichkeit, durch eine gemeinsame Auswertung der Ökonomie und der THG-Emissionen beide Bewertungsansätze miteinander zu verknüpfen. Im besten Fall können sie Maßnahmen identifizieren, die eine Senkung der THG-Emissionen bewirken und gleichzeitig die variablen Kosten senken“, erklärt Vanessa Karger.

Angelika Huber geht es vor allem um den CO2-Fußabdruck ihres Betriebs: „Wir als Landwirte müssen schauen, was wir zum Klimaschutz beitragen können. Und andere Branchen müssen schauen, was sie wiederum beitragen können.“

Wie viele Treibhausgasemissionen erzeugt unser Betrieb? Diese Frage stellen sich Angelika und Josef Huber.

Emissionsarme Gummimatten

Eine weitere vielversprechende umweltschonende Maßnahme auf dem Milchviehbetrieb Huber ist der Einsatz von emissionsarmen Gummimatten im Kuhstall.

Bei der Betriebsbesichtigung durfte ein Blick auf die Gummimatten im Stall nicht fehlen.
Die Gummimatten ermöglichen eine schnelle Trennung von Kot und Harn; Tritt- und Rutschsicherheit für die Tiere bleiben erhalten.

Diese Gummibodenbeläge sollen im Stall die Ammoniakproduktion mindern. Ammoniak entsteht durch die Vermischung von Harn mit dem Kot der Tiere. Dabei wird der Harnstoff mit Bakterien aus dem Kot zu Ammoniak und Kohlendioxid umgewandelt. Dieser Vorgang findet im Stall insbesondere auf den Laufflächen sowie im Güllekeller statt. Das Abdecken des Güllelagers durch Gummimatten kann Abhilfe schaffen. Gleichzeitig sorgt das Gefälle der Gummimatten dafür, dass der Harn schnell von der Oberfläche abfließt, so dass sich der zeitliche Kontakt von Kot und Harn verkürzt, was zu einer reduzierten Bildung von Ammoniak führt.

„Versuche zur tatsächlichen Höhe der Emissionsminderung laufen derzeit noch“, erklärt LKV-Beraterin Jeanette Stockbauer, „so dass noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden können. Vorversuche und Anwendungstests lassen aber ein Ammoniak-Minderungspotenzial erwarten.“

Wer Interesse an einer Beratung zu klimafreundlichen Praktiken hat, kann sich an die LKV-Beratungsgesellschaft unter der E-Mail-Adresse beratung@lkv.bayern.de oder unter der Telefonnummer 089/544348-934 wenden.

Jutta Maria Witte

Exkurs: Wie funktioniert der LfL Klima-Check? Von Vanessa Karger (LfL)

Da es sich beim LfL Klima-Check um ein frei zugängliches und kostenloses Online-Tool handelt, kann jeder interessierte Nutzer selbstständig eine THG-Bewertung erstellen. Dafür kann er sich entweder seinen gesamten Betrieb vornehmen oder einzelne Produktionsverfahren bewerten, beispielsweise die Milchkuhhaltung. Bei der THG-Bewertung werden drei Arten von Emissionen unterschieden und berücksichtigt. Das sind zum einen alle auf dem Betrieb oder im Produktionsverfahren entstehenden direkten Emissionen, z.B. Lachgasemissionen aus dem Stickstoffeintrag in den Boden, CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger und Methanemissionen aus der Verdauung. Zum anderen werden auch indirekte Emissionen, z.B. Lachgasemissionen, die sich aus Ammoniakemissionen in der Düngung bilden, und Emissionen aus zugekauften Produktionsmitteln berücksichtigt, darunter Kohlendioxidemissionen aus der Herstellung von Mineraldünger.

Vanessa Karger

Um die Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase vergleichbar zu machen, wird im LfL Klima-Check das globale Erwärmungspotenzial über 100 Jahre herangezogen. Dabei wird die Klimawirkung der unterschiedlichen Gase über 100 Jahre hinweg berechnet und in kg Kohlendioxid-Äquivalenten (kg CO2-Äq.) ausgedrückt. So kann beispielsweise das sehr klimawirksame, aber nur kurzfristig in der Atmosphäre verbleibende Methan mit dem weniger schädlichen, aber dafür unbegrenzt in der Atmosphäre verbleibenden CO2 verglichen werden. Aktuell wird für Methan so ein Erwärmungspotenzial von 27 kg CO2-Äq. ermittelt (IPCC, 2021).

Wenn alle in der Vorkette und im Produktionsverfahren entstandenen THG-Emissionen zusammengerechnet wurden, kann ein CO2-Fußabdruck auf Produktebene ausgewiesen werden. Dafür werden die Emissionen anhand genau definierter Schlüssel (vgl. Allokation nach IDF, 2022) auf Haupt- und Nebenprodukte, also z.B. Milch und Rindfleisch aus Kalb und Altkuh verteilt.

Von der THG-Bewertung zum praktischen Klimaschutz

Allerdings ist dem Klima allein durch eine THG-Bewertung noch nicht geholfen. Dafür reicht es nicht, THG-Emissionen zusammenzurechnen. Vielmehr ist es wichtig zu schauen, wo genau im Betrieb Emissionen entstehen und mit welchen Hebeln diese gesenkt werden können. Schauen wir uns dies einmal an einem Beispiel an. Die Aufteilung der Emissionsquellen von Betrieb Maier zeigt, dass dort viel mehr Emissionen in der Bestandsergänzung entstehen als im Fleckvieh-Standardbetrieb des LfL Klima-Check (Abbildung 1).

Abbildung 1: CO2-Fußabdrücke und Aufteilung der Emissionsquellen im Standardbetrieb und Betrieb Maier

Die Daten der Betriebe zeigen (Tabelle 1), dass die Remontierungsrate bei Betrieb Maier knapp 6 Prozent höher liegt als beim Standardbetrieb. Außerdem fällt auf, dass das Erstkalbealter im Betrieb Meier bei 34 Monaten liegt, wohingegen der Standardbetrieb einen Wert von 29 Monaten erreicht. Damit könnte Herr Maier bereits zwei Klimaschutzmaßnahmen für seinen Betrieb identifiziert haben: Optimiertes Erstkalbealter und geringere Remontierungsrate. Denn bei niedrigerem Erstkalbealter braucht die Kalbin weniger Ressourcen (Futter, Stall etc.) in ihrer unproduktiven Phase und bringt einen kleineren THG-Rucksack mit ins Kuhverfahren. Sinkt die Remontierungsrate, verteilen sich die Emissionen aus der Aufzucht auf mehrere Nutzjahre. Der LfL Klima-Check bietet nun die Möglichkeit, diese Maßnahmen auszuprobieren, da sie im Tool modelliert werden können. Herr Maier kann also im Tool testen, welchen Effekt ein verringertes Erstkalbealter oder eine niedrigere Remontierungsrate auf seinen CO2-Fußabdruck hat.

Tabelle 1: Ausgewählte Produktionsparameter des Standardbetriebs und von Betrieb Maier

An diesem Punkt kommt die Beratung ins Spiel, denn im LfL Klima-Check können Änderungen im Tiermanagement, der Fütterung oder der Futterproduktion zwar simuliert werden, aber welche konkrete Maßnahme für einen bestimmten Betrieb passt, um dieses Ziel zu erreichen, das wissen am besten die Berater. Diese gehen auf den Betrieben ein und aus, kennen vielleicht ähnliche Betriebe, von deren Ideen andere Unternehmen profitieren können. Denn für die Wahl von Klimaschutzmaßnahmen und -zielen ergibt es Sinn, sich an ähnlichen Vergleichsgruppen zu orientieren. Ein extensiv wirtschaftender grünlandbasierter Betrieb wird vermutlich ganz andere Lösungsansätze haben als ein intensiv wirtschaftender High-Input-High-Output-Betrieb. So können Landwirte gemeinsam mit Beratung und LfL Klima-Check ihren individuellen Weg zu einer klimafreundlicheren Milchproduktion entwickeln.

Weitere Infos zum LfL Klima-Check gibt es unter Klima-Check Landwirtschaft – LfL bzw. www.lfl.bayern.de/iba/agrarstruktur/296549/index.php

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