Tierwohl im Altgebäude – das geht!
Die Lichtingers entkernten die Altgebäude bis auf die Bausubstanz: mit mehr Platz, Raufutter und Beschäftigungsmaterial sind sie seit 2018 Partner der Initiative Tierwohl. Nicht nur die Schweine fühlen sich wohler, das Ergebnis macht sich auch im Geldbeutel bemerkbar und sichert die Vermarktung ab.
Mission Tierwohl
Seit 28 Jahren ist Bernhard Gockeln als LKV-Ringberater für Ferkelerzeugung rund um Landshut unterwegs. Er ist immer auf dem neusten Stand und kennt fast alle Zahlen auswendig. Eine seiner Missionen ist es, das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit auf den Ferkelerzeugerbetrieben voranzubringen. Dabei ist er ziemlich erfolgreich – 50% seiner Betriebe nehmen am Programm der Initiative Tierwohl teil.
Manpower im Schweinestall
Im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen liegt der Betrieb von Klaus-Peter Lichtinger und seinem Vater Alfred, auf dem sie Schweine halten: konventionell und mit Tierwohl. Die Lichtinger GbR bewirtschaften sie im geschlossenen System, d. h. sie halten 120 Sauen, 600 Aufzuchtferkel und 800 Mastschweine auf ihrem Betrieb. Auf 80 ha Ackerland bauen Lichtingers die Futterkomponenten Weizen, Gerste, Mais und Triticale selbst an. Klaus-Peter Lichtinger ist ein Macher-Typ und will die Zukunft mitgestalten. Er engagiert sich daher nicht nur im Gemeinderat Allkofen, sondern ist auch als zweiter Vorsitzender im Ferkelerzeugerring Landshut tätig. Außerdem ist er in der Projektgruppe „schneller Datenfluss“ aktiv, die sich mit dem Einfluss der Genetik auf das Tierverhalten beschäftigt.
Umbau für die Zukunft
Dass Klaus-Peter Lichtinger auch in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte, stand schon früh fest. 2012 entschieden die beiden Männer, den 1987 errichteten Schweinestall fit für die Zukunft zu machen. Der Stall auf der Hofstelle wurde bis auf die Bausubstanz entkernt. Heute findet man hier die Abteile zum Abferkeln sowie den Deck- und Wartebereich, der nicht voneinander getrennt ist. Bei den Lichtingers werden die Sauen künstlich besamt und dabei einzeln im Kastenstand gehalten, damit sie bei der Einnistung des Spermas möglichst wenig Stress ausgesetzt sind. Spätestens fünf Tagen nach dem Belegen werden die Kastenstände geöffnet und die Sauen können sich wieder frei in der Gruppe bewegen. Im Außenbereich, wenige hundert Meter entfernt, liegt der zweite Stall, der 1998 erbaut wurde. 2016/2018 wurde eine neue Lüftungsanlage installiert und weitere Fenster wurden eingesetzt, um die Lichtfläche in den Buchten zu erhöhen.
Mehr Tierwohl
Seit 2018 nehmen die Lichtingers am Programm der Initiative Tierwohl teil. Sie haben sich für die zweite Stufe entschieden, da hierfür nur ein geringer Umbau nötig war. Folgende Anforderungen gelten für den Programmzeitraum 2021 bis 2023:
Alle Bereiche werden jährlich kontrolliert. Den Stallklima- und Tränkewasser-Check übernimmt der LKV-Ringberater Bernhard Gockeln. Den Gesundheitsstatus überprüft der Tierarzt und ein Tierwohl-Auditor, z. B. von der LQB (Landwirtschaftliche Qualitätssicherung Bayern), beurteilt die übrigen Kriterien. Das Tierwohl-Audit erfolgt einmal pro Jahr angemeldet und weitere zwei Male ohne Anmeldung.
Umsetzung
Mit dem ITW-Programmstart konnten weiterhin die gleichen Rationen verfüttert werden, deren Hauptbestandteile das selbst erzeugte Getreide sind: Weizen, Gerste, Mais und Tritikale. „Was neu hinzukam waren vor allem Raufutter, Beschäftigungsmaterial sowie 10% mehr Platz“, erzählt Klaus-Peter Lichtinger. Seit 2018 werden im Sauen-, Ferkelaufzucht- und Mastbereich 10% weniger Tiere gehalten, sodass den Schweinen 10% mehr Platz zur Verfügung stehen. Auf einem Belegungsplan haben die Lichtingers eingezeichnet, wie viele Tiere max. pro Bucht bzw. Abteil gehalten werden dürfen. Auch im Abferkelbereich werden jetzt 10% weniger sauen gehalten
Als Beschäftigungsmaterial verwenden Lichtingers gerne organische Elemente, an denen die Tiere knabbern, beißen, kauen und saugen können. Besonders beliebt ist Knabberluzi, eine Knabberstange aus gepresster Melasse, Stroh, Heu, Luzerne. Diese hängt in fast jedem Abteil in einer speziellen Vorrichtung.
Sauenhaltung
Das Kriterium Raufutter wird bei den Sauen durch die Verfütterung von Haferschälkleie erreicht, da diese rohfaser- und strukturreich ist. Die Sauen im Abferkelbereich können auf naturbelassenen Baumwollstricken kauen. Sieben Tage vor der Geburt erhalten sie zudem Stroh für den Nestbau. Ein Holzstück und Seil dient den Ferkeln als Beschäftigungsmaterial. Im Deck- und Wartestall beschäftigen sich die Sauen mit Hölzern als auch Knabberluzi und können ihr Haarkleid an einer Bürsten pflegen. Zum Spielen und Erkunden baumeln in den Abteilen Futterkörbe mit Gerstenstroh. In Gruppen mit mehr als sechs Tieren waren bisher über 2,25 m² pro Sau gegeben, mit der Initiative Tierwohl genießen die Tiere jetzt über 2,475 m² Platz. In den Gruppen mit weniger als sechs Tieren stehen den Sauen statt über 2,5 m² jetzt über 2,75 m² je Tier zur Verfügung.
Ferkelaufzucht
Direkt nach dem Absetzen kommen die Ferkel mit 4 Wochen in den Ferkelaufzuchtbereich. Das große Abteil bietet Platz für bis zu 160 Absetzerferkel. Wände strukturieren die Fläche in einen Liege-, Fress-, Aktivitäts- und Kotbereich. Im Flatdeckbereich sind Heizplatten verlegt, die für ein Kleinklima mit 26°C sorgen. Nach der ITW-Stufe 2 werden für bis zu 20 kg schwere Ferkel 0,2m² und für bis zu 30 kg schwere Ferkel 0,35 m² Platz gefordert. „Indem wir 30 Absetzer weniger aufstallen, erreichen wir die Vorgaben“, erläutert Klaus-Peter Lichtinger. Als Beschäftigungsmaterial stehen den Ferkeln Beißblumen und Igelbälle bereit. Für die Rauhfuttergabe hat Klaus-Peter Lichtinger kreativ Hand angelegt. Mit geriffelten Scheuerbalken aus Aluplatten (Auswahlkiterium der letzten ITW-Programphase) hat er einen trichterartigen Raufutterautomaten gebaut, an der sich die Tiere scheuern und zugleich Raufutter aufnehmen können. Die Vorrichtung hat eine Tierwohlzulassung erhalten, da die Gummimatte 40 cm breit ist und somit einer vorgegebenen Tierzahl zur Verfügung steht. Da den Tieren ununterbrochen Raufutter zur Verfügung stehen muss, wird die Bar 2 Mal täglich mit Haferschälkleie aufgefüllt.
Stallklimacheck & Tränkewassercheck
Einmal pro Kalenderjahr führt Bernhard Gockeln den Stallklimacheck und Tränkewassercheck in jedem Bereich durch. Der Stallklimacheck umfasst eine Funktionsprüfung der Technik, des Testalarms und eine sensorische Prüfung des Stallklimas. Bei Feststellung von Mangeln muss ein Maßnahmenplan inkl. Fristen zur Beseitigung erstellt werden. Der Tränkewassercheck erfordert eine physikalisch-chemische sowie eine mikrobiologische Untersuchung je nachdem, ob ein eigener Brunnen oder Fernwasser verwendet wird. Bevor Gockeln die Tränkewasserproben entnimmt, öffnet und schließt er die einzelnen Tränken mehrmals um Schmutzpartikel auszuspülen. Vor der Wasserentnahme für die mikrobiologische Untersuchung muss die Auslauföffnung der Tränke mit einem Gasbrenner sterilisiert werden.
Das könnte einfacher sein
Jede Programmphase umfasst drei Jahre und erfordert eine neue Bewerbung. Durch die Programmumstellung umfasst jede Programmphase zudem neue Kriterien. Lichtinger erläutert: „In der vorherigen Programmphase war Beschäftigungsmaterial ein Auswahlkriterium, bei der jetzigen Programmphase wurde es in die QS-Kriterien aufgenommen. Außerdem sind die frei wählbaren Kriterien weggefallen. Ich bin froh, dass mein LKV-Berater immer genauestens Bescheid weiß. “
Lohnt sich das?
Gockeln: „Die Teilnahme an der Initiative Tierwohl kann sich finanziell lohnen. Einige meiner Betriebe erwirtschaften auf diese Weise ein beachtliches Zusatzeinkommen von bis zu 30.000 € pro Jahr.“ Klaus-Peter Lichtinger sagt, dass die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht leider rückläufig honoriert wird.
„In der Programmphase von 2018 bis 2020 habe ich 9,15 € pro Mastschwein erhalten, mittlerweile sind es 6,28 €. Trotzdem kann ich anderen Betrieben die Teilnahme an der Initiative Tierwohl empfehlen. Es lohnt sich nicht nur monetär. Auch die Tiere fühlen sich wohler. Das zeigen sie mir durch die gestiegenen Leistungen.“
Wer überlegt sein Altgebäude umzubauen, sollte sich einem kompetenten Berater mit ins Boot holen, sagt Lichtinger. Für ihn war es eine sehr große Hilfe, dass er gemeinsam mit LKV-Ringberater Bernhard Gockeln alles durchgegangen ist und die Altgebäude ausgemessen hat. Wie viel Geld muss investiert werden und rentiert es sich, wenn die Haltungsform in fünf bis zehn Jahren vielleicht nicht mehr zulässig ist? Bei Fragen wie diesen ist der Erfahrungsschatz von Bernhard Gockeln unersetzlich, bezeugt Klaus-Peter Lichtinger.
Martina Leißner