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Interview mit Dr. med. vet. Ulrike Sorge, neue Geschäftsführerin und tierärztliche Leiterin des Tiergesundheitsdienst Bayern

Interview mit Dr. med. vet. Ulrike Sorge, neue Geschäftsführerin und tierärztliche Leiterin des Tiergesundheitsdienst Bayern

 

„TGD ist Powerhouse in Sachen unabhängiger tierärztlicher Beratung“

Ab dem 1. Oktober 2025 hat Dr. med. vet. Ulrike Sorge die Position der Geschäftsführerin und tierärztlichen Leiterin beim Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. (TGD) übernommen. Sie wurde einstimmig und ohne Enthaltungen vom Verwaltungsrat in diese Doppelfunktion berufen, nachdem dieser dem einstimmigen Vorschlag des Vorstands gefolgt war. Ulrike Sorge verfügt über mehr als 20 Jahre praktische Erfahrung als Tierärztin und ist im Tiergesundheitsdienst Bayern bereits sehr gut bekannt. Ihre berufliche Laufbahn umfasst Stationen an der Freien Universität Berlin, der Universität Guelph in Kanada sowie der Universität Minnesota in den USA, bevor sie 2016 die Leitung des Eutergesundheitsdienstes und der Milchhygiene beim TGD Bayern übernahm. Wir sprachen mit ihr über ihre neue Funktion und andere aktuelle Themen.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position beim TGD! Welche Ziele setzen Sie sich für diese neue verantwortungsvolle Aufgabe? Was sind für Sie die übergeordneten Ziele als neue Geschäftsführerin des TGD?

Herzlichen Dank. Ich freue mich sehr auf die neue Stelle, da der TGD ein wirkliches Powerhouse in Sachen Diagnostik und unabhängiger tierärztlicher Beratung für Land- und Teichwirte sowie Imker ist. Mein Ziel ist es, dass noch mehr Landwirte über diese Hilfestellung wissen und noch mehr diese auch annehmen. In einigen Köpfen geistert immer noch, dass wir so etwas wie ein Veterinäramt sind – aber weit gefehlt. Wir sind eine Selbsthilfeeinrichtung der bayerischen Landwirtschaft – genau wie das LKV. Unsere Aufgabe ist es, mit Diagnostik und tierärztlichem Knowhow Betriebe dabei zu unterstützen, ihre Tiere gesund zu halten. Hierfür braucht es auch mal tiefere Diagnostik, zum Beispiel Viertelgemelksproben, und einen ganzheitlichen Ansatz, um Flaschenhälse eines Betriebes erkennen und gezielt dagegen vorgehen zu können. Der TGD macht zudem auch noch angewandte Forschung, um das Wissen über Tierkrankheiten oder über die Fähigkeiten neuer Technologien, beispielsweise Sensorsysteme im Milchviehstall, zu überprüfen und so den bayerischen Landwirten praktische Hilfestellung geben zu können.

Was bedeutet für Sie die Zusammenarbeit zwischen TGD und LKV?

Das LKV ist ein Mitglied des Tiergesundheitsdienstes und daher arbeiten wir seit jeher Hand in Hand. Das LKV hilft Betrieben, mit standardisierten Proben einen Überblick zu behalten. Diese Daten erlauben es den Betrieben, schnell auf Veränderungen im Bereich der Leistungsfähigkeit oder Gesundheit der Tiere reagieren zu können. Da der TGD vor allem tierärztliches Knowhow und weiterführende Diagnostik mitbringt, können beide Seiten im Zusammenspiel Landwirten schnell und gezielt helfen. Auch können wir bei den Auswertungen der Daten helfen, damit der Landwirt oder die Landwirtin mehr Zeit für andere Bereiche hat.

Dr. med. vet. Ulrike Sorge

 Wie relevant sind für Sie die Kennzahlen aus der MLP für die Tierhalter, aber auch für die Tierärzte?

Ein schlauer Kopf hat mal gesagt: Man kann nichts managen, was man nicht messen kann. Kennzahlen sind hier ein nützliches Ziel, auf das man ansteuert. Ohne die Kennzahlen wäre es schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen, wo die Herde aktuell steht und in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht – oder eben nicht. Nur mit guten Daten und Kennzahlabgleich kann man Prioritäten für Managementänderungen auf dem Betrieb setzen und sich so längerfristig Zeit und Nerven sparen.

Das selektive Trockenstellen gewinnt in der Milchviehhaltung zunehmend an Bedeutung – welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der praktischen Umsetzung für Tierhalter und Tierärzte?

Ehrlicherweise ist selektives Trockenstellen bereits mehr auf bayerischen Betrieben verbreitet, als viele annehmen. Es ist eher die Ausnahme, wenn noch alle Tiere zum Trockenstellen behandelt werden. In unserer aktuellen Benchmarking Studie mit milch.bayern wurde im bayerischen Durchschnittbetrieb nur 40 % der Kühe antibiotisch zum Trockenstellen behandelt.  Dass selektives Trockenstellen funktioniert, wissen wir. Wir wissen aber auch, dass blindes Weglassen von Behandlungen kein selektives Trockenstellen ist und über kurz oder lang zu Problemen führen kann. Der TGD bietet seit 2016 bereits die STAR Initiative – Selektives Trockenstellen zur AntibiotikaReduktion – an, bei der Landwirte mit ihrer Herde mitmachen können. Sie erhalten zunächst vermehrt Diagnostik und Beratung. So können die Landwirte für ihren Betrieb sich herantasten, wie das Management angepasst und Behandlungen zurückgefahren werden können, ohne die Eutergesundheit zu gefährden. Der weit überwiegende Teil der Betriebe bleibt so bei der Eutergesundheit stabil oder wurde teilweise sogar besser, da man mehr über die Eutergesundheit und das eigene Management kennen lernen kann.

Welche Bedeutung hat für Sie das Gesundheitsmonitoring Pro Gesund? Wie können wir mehr Landwirte und Tierärzte zur aktiven Teilnahme motivieren?

Die LfL, das LKV und der TGD waren alle bei der Entwicklung von Pro Gesund involviert. Pro Gesund ist eine großartige Hilfe, um einen guten Überblick über die Tiergesundheit der Herde und über die Kennzahlen zu bekommen. Es überrascht mich immer, dass nicht alle Landwirte und Tierärzte da mitmachen. Man braucht kein extra Herdenmanagementprogramm kaufen. Viele Daten sind automatisch bereits aufbereitet und die gebotenen Auswertungen zielen auf die aktuellen Entwicklungen in der Herde ab. Nicht nur kann man – vor allem bei der Eutergesundheit – sofort sehen, wenn sich etwas in der Eutergesundheit der Herde ändert, und man kann auch beim nächsten Probemelken den Effekt von Managementänderungen überprüfen. Auch können die Befunde der Viertelgemelksproben vom TGD auf Wunsch des Landwirts, auch nachträglich, in die Kuhkarten übertragen werden. So muss man sich nicht mehr durch Papier wühlen, um zu schauen, ob Susi mal Staphylococcus aureus hatte, sondern hat die Ergebnisse direkt sortiert in der Kuhkarte. Einfacher geht die Überwachung der Herdengesundheit kaum. Auch für die betreuenden Tierärzte ist es optimal, da man nicht zig verschiedene Softwareprogramme lernen muss, sondern mit einem Programm eine gute Übersicht über die Herdengesundheit bei allen freigeschalteten Klienten bekommen kann. Gerne die Mitarbeiter des TGD oder den LOP ansprechen, dass man zusammen über die Daten der Herde geht. Mit dem Hintergrundwissen um die eigene Herde bekommt man schnell einen Überblick und kann den Nutzen sehen.

Wie bewerten sie die Zusammenarbeit von TGD-Tierärzten aus dem Schweine- und Rindermastbereich und unseren LKV-Ringberatern?

Die Zusammenarbeit mit den Ringberatern läuft generell sehr gut. Die Ringberater und unsere Tierärzte sind im engen Austausch. Nicht nur sind unsere Tierärzte in der Aus- und Weiterbildung gut eingebunden, sie nehmen in einigen Gebieten sogar an allen Besprechungen der Ringberater teil. Während die Ringberater natürlich vielfach routinemäßig beispielsweise bei der Aktualisierung des Sauenplaners und der Fütterung helfen, sind die Fachtierärzte des TGD bei der weiterführenden Interpretation der Daten und als Ansprechpartner für Tiergesundheit die perfekte Ergänzung. So bietet unser Labor beispielsweise Futteruntersuchungen auf Mykotoxine an, und Tiere können von unseren Pathologen untersucht werden. Dann können im Team mit dem Landwirt und Hoftierarzt gezielte Maßnahmenpläne für Schweine, aber auch Rindermastbetriebe entwickelt werden.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen im Bereich Tiergesundheit? Wie können Selbsthilfeorganisationen wie TGD und LKV die Tierhalter dabei unterstützen?

Gesunde Tiere ist natürlich unser aller Ziel. Die größten Herausforderungen sind meines Erachtens das Auftreten von Tierseuchen. Einige haben wir schon lange als erledigt angesehen – wie beispielsweise Maul und Klauenseuche. Aber es wird auch neue Erkrankungen geben, die von Globalisierung, zum Beispiel durch Fernverkehr und Tierhandel, sowie aufgrund des Klimawandels gefördert werden. Die Gnitzen, die den Blauzungenvirus übertragen, werden durch den Klimawandel im Winter kaum noch abgetötet. Das Infektionsrisiko bleibt also. Aktuell tauchen dann auch noch Lumpy-Skin-Disease, die laut AHL wie MKS eine Kategorie A Tierseuche ist, und die Epizootische Hämorrhagie der Hirsche (EHD) bei unseren europäischen Nachbarn auf, welche auch unsere Wiederkäuer betreffen kann auf. Beide Erkrankungen werden wie die Blauzungenerkrankung über Gnitzen übertragen. Die Biosicherheit und proaktiven Krankheitsbekämpfungen werden daher immer wichtiger. Hier können der TGD und das LKV helfen. Vor allem die tierärztliche Expertise beim TGD kann genutzt werden, um Biosicherheitsmaßnahmen für den Betrieb zu überprüfen und die Mitarbeiter – und sich selbst – über die Beurteilung der Tiergesundheit zu schulen. Daneben nehmen die Digitalisierung und der Datenberg zu. Hier arbeitet das LKV an Verknüpfungen verschiedener Datensysteme und die Tierärzte des TGD helfen mit Interpretation der Daten, um zügig reagieren und gegebenenfalls gegensteuern zu können.  

Wo sehen Sie die bayerische Nutztierhaltung in mittel- und langfristiger Zukunft?

Die bayerische Nutztierhaltung wird es auch in der Zukunft geben, da die weltpolitischen Unsicherheiten der letzten Jahre klar aufzeigen, dass die lokale Versorgung gegeben sein muss. Allerdings lässt sich der Strukturwandel nicht aufhalten und die Betriebe mit Anbindehaltung wird es irgendwann nicht mehr geben. Ich schätze, dass wir in den nächsten zehn Jahren leider um die 15 % der Rinderbetriebe und wahrscheinlich noch mehr Schweinebetriebe verlieren werden. Geflügelhaltungen werden hingegen zunehmen. Die Technologisierung wird auf den verbleibenden Betrieben zunehmen, da die Arbeitskräfte knapper werden. Hier müssen wir aber aufpassen, dass wir die Hilfe durch die Technik nicht überschätzen. Ohne den Menschen, der sich im Stall um die Tiere kümmert und nach ihnen schaut, wird es nicht funktionieren.

Was wollen Sie abschließend den LKV-Landwirten, aber auch den LKV-Mitarbeitern, mit auf den Weg geben?

Die Zusammenarbeit zwischen TGD und LKV läuft in der Fläche sehr gut. Es wäre aber schön, wenn wir zukünftig sogar noch enger zusammenarbeiten könnten, um die bayerischen Landwirte zu unterstützen.

Herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr. Sorge.

 

Jutta Maria Witte

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