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Zu Besuch bei den „Ackerschwestern“ – ehrenamtliche Arbeit gegen Vorurteile und Falschdarstellungen in der Landwirtschaft

Zu Besuch bei den „Ackerschwestern“ – ehrenamtliche Arbeit gegen Vorurteile und Falschdarstellungen in der Landwirtschaft

Einige von Ihnen haben bestimmt schon mal von ihnen gehört – den „Ackerschwestern“. Die Ackerschwestern, das sind die bayerischen Landwirtinnen Franziska Aumer, Lea Miesl, Josephine Glogger-Hönle und Jessica Wiedenmann. Gemeinsam widmen sie sich der Aufgabe, faktenbasierte Aufklärung über landwirtschaftliche Themen zu betreiben und den Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern zu fördern. Wir haben mit Franziska Aumer, Gründerin der Ackerschwestern, und Lea Miesl, Social Media Managerin der Initiative, über ihre Aufklärungsarbeit für Landwirtinnen und Landwirte gesprochen. Dafür haben wir die beiden auf dem LKV-Betrieb von Franziska Aumers Partner in Altomünster besucht.

Franziska Aumer (li.) und Lea Miesl von den „Ackerschwestern“.

Initialzündung für ihre Arbeit war die Bundestagswahl 2021. Damals habe Franziska Aumer gemerkt, dass viele Landwirte auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat waren. Aber schlichtweg keine Zeit hatten, sich aktiv mit den Parteiprogrammen in ihrer Tiefe auseinanderzusetzen. Weil es aber wichtig ist, vor einer Wahlentscheidung gut informiert zu sein, haben es sich die „Ackerschwestern“ zur Aufgabe gemacht, hier Unterstützungsarbeit für ihre Berufskollegen zu leisten. „Denn nur wer die Sachlage kennt und gut informiert ist, kann eine solide Entscheidung für die eigenen Interessen treffen“, erklärt Franziska Aumer mit Nachdruck. So ackerten sich die vier jungen Frauen durch die Wahlprogramme, Koalitionsverträge und Parteiprogramme. Mit dem Ziel: Für andere Landwirtinnen und Landwirte mehr Klarheit und Transparenz im Dschungel der komplizierten politischen Aussagen zu schaffen. Dabei machten sie einen Rundumschlag und beleuchteten alle für die Landwirtschaft relevanten Themen – darunter auch Tierschutz und Baurecht. Die wichtigsten Inhalte bereiteten sie mitsamt fachlichem Hintergrund und Verweis auf die Originalquelle übersichtlich auf und stellten sie auf ihrer Website „parteisieb.de“ zur Verfügung. Objektiv und wertfrei, das sei besonders wichtig, sagt Franziska Aumer, um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit zu gewährleisten. Ihre zusammengestellten Infos für die Landwirte, aber auch für Verbraucher, werden von allen vier Frauen reihum Korrektur gelesen und auf Validität und Unabhängigkeit geprüft. „Damit sich die Landwirte immer zu 100 Prozent auf unsere Informationen verlassen können“, unterstreicht Lea Miesl.

Fundierte Argumente für sachliche Diskussionen

Nach dieser Aktion haben die Ackerschwestern viel positives Feedback von ihren Berufskollegen erhalten, die sich neben politischen Themen vermehrt die fachliche Aufarbeitung von landwirtschaftlich relevanten Themen wünschten. So kommt es, dass die vier jungen Landwirtinnen aus der Oberpfalz, Schwaben und Oberbayern ihren Fokus derzeit verstärkt auf fachliche Aufklärung richten, um auch hier Landwirte bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit Richtung Verbraucher, beispielsweise über ihre Social-Media-Kanäle oder Hofläden, zu unterstützen. „Gerade bei Themen mit großem Aufklärungsbedarf oder weit verbreiteten Vorurteilen wollen wir den Landwirten transparentes Wissen und verlässliche Argumente an die Hand geben“, so Aumer. Auch gegen Halbwahrheiten und Fake News, wie sie zum Beispiel zu Themen wie „Teller oder Trog“ oder „Phosphateinträge in Gewässer“ in den Medien und im Internet kursieren, kämpfen die Ackerschwestern mit validen (Meta-)Analysen, wissenschaftlich belegten Studien, Daten und Fakten aus zuverlässigen Quellen. Dafür bereiten sie landwirtschaftliche Studien, Paper und Untersuchungen auf und setzen die Aussagen in den richtigen Kontext. Selbstverständlich immer mit Quellenangaben, damit jeder Interessierte die Aussagen selbstständig überprüfen kann. „Mit unserer Aufklärungsarbeit wollen wir fundierte Argumente schaffen, die Bauern helfen, emotionale Diskussionen auf eine Sachebene zu bringen“, erklärt Franziska Aumer. Denn nur allzu oft werden sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Landwirtschaft mit Vorwürfen konfrontiert wie „Du bist ja selbst Teil der Agrar-Lobby“ – und da schwinge mit: „Dein Diskussionsbeitrag ist im Grunde nichts wert.“

Nur selten arbeiten die Ackerschwestern persönlich zusammen, da sie an verschiedenen Orten leben. Gefunden haben sie sich zufällig über WhatsApp-Gruppen im Rahmen unterschiedlicher ehrenamtlicher Tätigkeiten in der Landwirtschaft.

Phosphateinträge – Hauptursache aufgedeckt

Ein besonders aussagekräftiges Beispiel für die Wirkung ihrer Arbeit ist die Debatte um die Phosphatbelastung von Gewässern. In dieser Diskussion konnten die Ackerschwestern durch fundierte Recherche und die Auswertung verschiedener Studien belegen, dass die kommunalen Kläranlagen der größte Faktor bei Phosphateinträgen in Gewässer sind. Damit widerlegen sie das Vorurteil, dass Landwirte maßgeblich schuld daran seien, unsere Gewässer mit Phosphat zu belasten. Ihre Ausarbeitung stützt sich auf wissenschaftlichen Studien aus Hessen, Tschechien und dem Saarland. Aus den Studien geht hervor, dass die Bedeutung landwirtschaftlicher Einträge überschätzt wird und die Bedeutung der Abwasserentsorgung unterschätzt. Das Land Hessen hat in diesem Zusammenhang die Studienergebnisse ernstgenommen und die Kläranlagen nachgebessert. Damit konnten in Hessen die Zielwerte nicht nur eingehalten, sondern sogar noch übertroffen werden.

Alle Wege führen zu den Ackerschwestern

Um eine breite Öffentlichkeit mit ihrer Aufklärungsarbeit zu erreichen, gehen die vier Ackerschwestern mehrere Wege: Neben ihrer Homepage sind sie auch auf Instagram aktiv. „Wir treffen mit unserer Arbeit einen Nerv“, erklärt Lea Miesl, „und wollen natürlich alle Altersklassen erreichen.“ Und das tun sie auch: Selbst wer keinen Zugang zu Social Media oder ihrer Website hat, findet bei Bedarf einen Weg zu den Ackerschwestern: „Manchmal werden wir auch angerufen“, erzählt Franziska Aumer, „vor allem Altenteiler nehmen diese Möglichkeit gerne wahr.“ Ganz neu ist für die Ackerschwestern die direkte Ansprache der Landwirte über Vorträge und Workshops: Aktuell stehen Aumer und Miesl mit einer bayerischen Hochschule im engen Austausch für einen gemeinsamen Workshop für angehende Landwirtinnen. Die Hochschule möchte gezielt ein Angebot für Frauen in der Landwirtschaft machen, womit sie bei den Ackerschwestern gleich doppelt an der richtigen Adresse sind. Denn als aktive Landwirtinnen wissen sie besonders gut, was Frauen in der Landwirtschaft bewegt – wie sie leben, arbeiten und mit welchen Herausforderungen sie tagtäglich umgehen müssen. Darüber hinaus ist Franziska Aumer als Autorin für ein landwirtschaftliches Fachmagazin tätig. Auch diese Funktion nutzt sie, um Landwirten und anderen Interessierten aktuelle Entwicklungen, Forschungsergebnisse und Best Practices zugänglich zu machen.

Sie wissen von was sie sprechen: Franziska Aumer (li.) und Lea Miesl (re.) sowie ihre Kolleginnen Josephine Glogger-Hönle und Jessica Wiedenmann sind alle in der Landwirtschaft tätig.

Viel Unterstützung vom privaten Umfeld

Für die vier Frauen ist ihre ehrenamtliche Arbeit eine Mamut-Aufgabe neben der eigenen Landwirtschaft, ihren Familien und ihren Berufen, die sie teilweise noch zusätzlich ausüben. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist nicht ganz leicht, sind sich Franziska Aumer und Lea Miesl einig. Unterstützung erfahren aber alle vier gleichermaßen von ihren Partnern, ihren Familien, ihrem Umfeld. Auch Franziska Aumers Partner ist ehrenamtlich in der Landwirtschaft tätig, erzählt sie, und hat daher viel Verständnis für ihre Arbeit. Ohne seine Unterstützung wäre das alles gar nicht möglich, sagt Aumer, die zusätzlich zu ihrer Arbeit als Herdenmanagerin auf dem Betrieb ihres Partners in Teilzeit als Softwareentwicklerin in der Baubranche tätig ist, und aktuell auch noch kurz vor der Gesellenprüfung zur Landwirtin steht. Dennoch ist die Öffentlichkeitsarbeit für ihre Berufskolleginnen und -kollegen ein wichtiges Ventil für sie, mit der sie Vorurteilen, Halbwahrheiten und Fake News effektiv etwas entgegensetzen kann. Auch Lea Miesl, die als festangestellte Betriebshelferin auf dem Betrieb von Franziska Aumers Lebensgefährten arbeitet, gleichzeitig nebenberuflich eine Ausbildung zur Landwirtin absolviert, Leiterin eines Alpkabetriebs ist und auch noch als Agro-Influencerin über 28 Tsd. Follower hat, fügt hinzu: „Ich habe lange Tage und wenig Schlaf. Aber ich liebe das, was ich mache.“

Qualität ist Grundsatz

Alle vier Ackerschwestern nehmen sich bewusst Auszeiten, auch das hat sie ihre Informationsarbeit gelehrt. Denn auch mit Themen wie die psychische Gesundheit von Landwirten beschäftigen sich Franziska Aumer, Lea Miesl, Josephine Glogger-Hönle und Jessica Wiedenmann. Gerade in der zusätzlichen ehrenamtlichen Arbeit in der Landwirtschaft sind ihnen schon zu viele ausgebrannte Landwirtinnen und Landwirte begegnet. Das war auch der Grund, warum die vier zur aktuellen Bundestagswahl im Februar keine Parteiprogramme gewälzt haben. „Die Wahl war zu kurzfristig. Wir hatten nur wenig Zeit und kaum Kapazitäten. Es gab zudem zu viele private Herausforderungen“, sagen Franziska Aumer und Lea Miesl. „In so einem knappen Zeitfenster hätten wir unsere Qualitätsansprüche nicht halten können. Am Ende ist es aber einfach auch ein Ehrenamt, das seine zeitlichen Grenzen hat“, betont Franziska Aumer – zurecht. Denn auch darin sind sich die vier einig: Sie machen diese Arbeit nicht des Geldes wegen, sondern weil ihnen die Aufklärung wichtig ist. Sie haben sich bewusst gegen eine Zusammenarbeit mit Verbänden und Unternehmen entschieden, um ihre Unabhängigkeit beizubehalten. „Damit sich die Landwirte wirklich auf uns verlassen können“, so Aumer, „ohne Angst haben zu müssen, dass eine politische oder wirtschaftliche Absicht hinter unserer Arbeit steckt.“ Wer die Aufklärungsinitiative der Ackerschwestern daher mit einer kleinen Spende unterstützen möchte, kann das über PayPal (siehe Kasten unten) gerne tun. Denn ginge es Franziska Aumer, Lea Miesl, Josephine Glogger-Hönle und Jessica Wiedenmann um wirtschaftlichen Gewinn, müssten sie einen ganz anderen Ansatz wählen, sagt Franziska Aumer. „Aber wir wollen keine Paywall. Wir wollen, dass unsere Informationen für alle zugänglich sind.“

Franziska Aumer, 29, Landwirtstochter (Mutterkuhhaltung), (angehende) Landwirtin, gelernte Mechatronikerin und Softwareentwicklerin, Herdenmanagerin auf einem Milchviehbetrieb, Altomünster/Hutting
Lea Miesl, 23, Betriebshelferin, Betriebsleiterin (Alpakas), Auszubildende zur Landwirtin und Agro-Influencerin (@de.vom.land), Dachau
Josephine Glogger-Hönle, 25, Landwirtstochter (Ackerbau im Nebenerwerb), Politikwissenschaftlerin und Referentin in der landwirtschaftlichen Bildungsarbeit an Schulen, Neu-Ulm Foto: Julia Schürer/agrarheute
Jessica Wiedenmann, 30, Landwirtin (B.Sc.), Herdenmanagerin mit eigenem Milchviehbetrieb, Neu-Ulm

Die Ackerschwestern

Unter dem Namen „ParteiSieb“ analysierten sie zur Bundestagswahl 2021 die Wahlprogramme der sieben größten Parteien hinsichtlich landwirtschaftlicher Inhalte, um Landwirten und Interessierten eine neutrale und sachliche Informationsquelle zu bieten. Zusätzlich betreiben sie die Plattform „Landwirtschaft.Erklärt“, auf der komplexe landwirtschaftliche Themen verständlich aufbereitet werden. Beides finden Sie auf der Website der Ackerschwestern unter www.ackerschwestern.de. Die vier Landwirtinnen arbeiten aufgrund ihrer räumlichen Distanz zumeist getrennt voneinander, tauschen sich aber regelmäßig online über ihre Ergebnisse aus. Ihre Arbeit und die Finanzierung ihrer Tätigkeit leisten die Ackerschwestern bisher komplett ehrenamtlich und auf eigene Kosten. Wenn Sie ihr Projekt unterstützen wollen, können Sie das gerne über PayPal: paypal.me/ackerschwestern.

Jutta Maria Witte

Aktuelles VOM lkv bayern

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