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Im alten Anbindestall Ziegen halten

Im alten Anbindestall Ziegen halten

Wie bringt man den Hof in die Zukunft? Josef und Marianne Astner haben sich für die Ziegenhaltung entschieden und ihren Anbindestall umgebaut.

Bei schönem Wetter halten sich die Ziegen gerne im Auslauf des alten Anbindestalls auf.

„Du musst wissen, wie du der Ziege begegnest, um ihre Neugier zu stillen“, sagt Josef Astner. Das erfähre ich auch Redakteurin. Während ich mit Klemmbrett und Kamera zwischen den Tieren stehe, zerren zwei Ziegen an meinen Stiefelüberziehern. Eine dritte Ziege versucht, mir auf den Rücken zu steigen.

Ausgangsituation: Milchkühe in Anbindehaltung

Bis 2016 halten Marianne und Josef Astner im Landkreis Rosenheim 23 Kühe im Anbindestall. Um den traditionellen Hof in die Zukunft zu bringen, entschieden sich der Landwirt und die Konditorin in die ökologische Ziegenhaltung einzusteigen. Die konventionelle Milchkuhhaltung geben sie auf. Heute halten die Asnters inklusive Nachzucht 200 bunte deutsche Edelziegen und liefern ihre Bio-Milch an die Andechser Molkerei Scheitz. Auf knapp zehn Hektar bauen sie Kleegras, Hafer, Gerste und Triticale an. Zehn weitere Hektar sind Grünland. Aktuell arbeitet Josef Astner noch drei Tage pro Woche als Landmaschinenmechaniker. Die Familie mit drei Kindern im Alter von sechs, zwölf und fünfzehn Jahren hofft, dass sie den Betrieb in naher Zukunft im Vollerwerb führen kann.

Auf die Ziege gekommen

Zuerst überlegten Marianne und Josef Astner einen neuen Stall für 20 Kühe plus Nachzucht zu bauen und auf Bio umzustellen. Allerdings waren die Wartelisten der Bio-Molkereien 2016 sehr lang. Zufällig stießen sie auf ein LfL-Seminar für Umsteller auf Ziegenhaltung und fingen Feuer. Sie schauten sich viele Ziegenbetriebe an und nahmen Kontakt zu einem Ziegenberater von Bioland auf. Mit der guten Beratung von Bioland-Berater Andreas Kern, fiel die endgültige Entscheidung Ziegen zu halten.

Umbau des Anbindestalls zum Ziegenstall

Im umgebauten Anbindestall haben die Ziegen viel Platz zum Spielen und für Rangkämpfe. Über Öffnungen in der Stallmauer haben sie jederzeit Zugang zum Auslauf.

2017 baut der gelernte Landmaschinenmechaniker den Anbindestall um. Dabei waren vor allem folgende Maßnahmen nötig:

  • Alle Güllekanäle mussten ordnungsgemäß verschlossen werden.
  • Die alte Aufstallung wurde komplett ausgebaut.
  • Der Futtertisch wurde auf 65 Zentimeter erhöht und ein Antritt wurde angebracht.
  • Mehrere Tränkebecken für Ziegen wurden montiert.
  • Eine Palisaden-Holzaufstallung wurde angefertigt und montiert.
  • Ein beidseitiger Auslauf wurde gebaut und eingezäunt.
  • Ein Melkstand mit Ein- und Austrieb wurde anfertigt.
  • Die alte Rohrmelkanlage wurde entsprechend umgebaut.
  • Speziell für Ziegen geeignete Melkzeuge inklusive Pulsatoren wurden gekauft

 

Ziegen kaufen und den Bestand aufbauen

2018 kamen die ersten Jungtiere. „Es ist gar nicht so einfach an gesunde Tiere heranzukommen“, erzählt Marianne Astner. Erstens muss ein Tierkauf zum Aufbau einer neuen Herde ein Jahr im Voraus geplant werden und zweitens muss der Ziegenbestand gesund sein. Denn existenzbedrohende Krankheiten wie Caprine Arthritis-Enzephalitis oder Pseudo-Tuberkulose wollten sie unbedingt ausschließen. Schließlich kauften sie 70 Jungziegen und zwei Böcke von einem Ziegenbetrieb in Baden-Württemberg, der bunte deutsche Edelziegen züchtet. Aktuell melken sie 100 Ziegen und ziehen 100 Jungtiere auf. Bis 2023 wollen sie den Bestand der Milchziegen auf 200 aufstocken.

Bau des neuen Ziegenstalls

Der neue Stall wurde für 200 Milchzeigen gebaut. Im alten Stall wachsen die Jungtiere heran.

2020 beginnen Marianne und Josef Astner einen neuen Stall für 200 Ziegen zu bauen. Vor dem Bau haben sich die beiden viele Ziegenställe angeschaut und an einem Stallbau-Seminar für Ziegenhalter teilgenommen. Wichtig war für sie, dass der Stall hell wird, eine gute Luft hat und sie Tiergruppen jederzeit individuell einteilen können. Zusammen mit ihrem Bioland-Berater erstellen sie einen Stallbauplan und legen los. Für den Stallbau wurde nur das eigene Holz verwendet und direkt am Hof zugeschnitten. Dabei haben die Astners großen Wert auf eine nachhaltige Bauweise mit Holz, Glas und Stein gelegt.

Die Außenmaße des Außenklimastalls betragen 16 Meter x 42 Meter. Die Buchten sind 5,30 Meter tief, der Futtertisch ist 4,50 Meter breit und am Fressplatz hat jede Ziege 40 Zentimeter für sich. Obwohl nach den Bioland-Richtlinien nur 1,5 Quadratmeter Platz pro Ziege gefordert sind, hat sich das Betriebsleiterpaar für 2,5 Quadratmeter entschieden. Der größte Vorteil ist, dass die Tiere bei Rangkämpfen genügend Platz zum Ausweichen haben. Außerdem verteilen sich Kot und Urin auf eine größere Fläche und trocknen schneller. Dadurch fällt das Ausmisten nur einmal pro Jahr an und es ist deutlich weniger Stroh zum Einstreuen nötig. „Die Vorteile wiegen die höheren Baukosten auf jeden Fall auf“, sagt Josef Astner.

Die Ziege – ein ganz anderes Tier als eine Kuh

Die meisten Ziegen lieben es gekrault zu werden und fordern die Streicheleinheiten oft ein.

Ziegen sind die besten Beobachter, interessiert an allem und sehr gescheit. „Sie wissen ganz genau, was in deiner Hosentasche steckt“, lacht Marianne Astner. Jede Ziege hat ihren eigenen Charakter und die meisten lieben es, gestreichelt und gekrault zu werden. Außerdem haben Ziegen eine strenge Hierarchie. Der Posten der Chefin ist unantastbar, während die Rangfolgen bei den anderen Ziegen ständig neu verteidigt werden. Daher muss der Stall groß genug sein und viele Ausweichmöglichkeiten bieten.

Ziegen kitzeln saisonal

Eine Besonderheit der Ziege ist, dass sie bis zu zwei Jahre Milch gibt. Ziegen müssen also nicht jedes Jahr gedeckt werden. Ab August werden die Ziegen bockig. Um das ganze Jahr über Milch verkaufen zu können, wird nur ein Teil der Ziegen gedeckt. Böcke decken nur, wenn sie ihre Ziegenherde nicht mit einem anderen Bock teilen müssen. Daher werden die zur Zucht ausgewählten Ziegen in zwei Herden aufgeteilt. Jeweils ein Bock betreut dann für drei Wochen 35 Ziegen.

Nach einer Tragezeit von fünf Monaten steht die Geburtsphase an. In Bayern wird dafür der Begriff „Kitzeln“ verwendet. In den drei Wochen werden die meisten Kitze in der Zeit zwischen fünf und 22 Uhr geboren. Die Familie ist froh, dass sie nachts nur selten Geburtshilfe leisten müssen. Im Durchschnitt bringt eine Ziege dabei 1,6 bis 1,8 Kitze auf die Welt. Zum Teil werden auch Drillinge und Vierlinge geboren. Die kleinsten Zicklein sind oft zu schwach und werden als „Flaschenkinder“ aufgezogen. Bis zum Alter von zehn bis zwölf Wochen saufen die Kitze bei den Muttertieren so viel Milch wie sie wollen. Mit einem Gewicht von sechzehn Kilogramm werden die Jungtiere abgesetzt.

Die Ziege lehrt dich das Futtermachen

Ziegen fressen in vielen kleinen Portionen und sind dabei sehr wählerisch.

Ziegen fressen in drei Phasen, erklärt Josef Astner: „Zuerst fressen sie aus Hunger, dann das Gute und zum Schluss das, was sie brauchen.“ Wenn die Futterqualität nicht stimmt, sortieren sie bis zu 40 Prozent aus. Deshalb werden sie morgens, mittags, abends und vor dem Schlafengehen per Hand gefüttert. Sie erhalten eine Mischung aus Heu, Graskobs, Kraftfutter, Salz und Ziegen-Mineralfutter und im Sommer zusätzlich frisches Kleegras. Wenn der Stallbau abgeschlossen ist, dürfen die Ziegen tagsüber auf der Weide Gras fressen.

Melken und Milchmessen bei Ziegen

Der alte Melkstand hat 20 Plätze.
Aktuell wird der neue Melkstand mit 40 Melkplätzen gebaut.

Zweimal am Tag werden die laktierenden Ziegen gemolken. Es ist wichtig auch die Muttertiere zu melken, da die Zicklein häufig nur auf einer Seite des Euters Milch saufen. Das Melken der 100 Ziegen dauert circa 45 Minuten. Dabei geben die Ziegen 2 bis 2,5 Liter Milch pro Tier. Elf Mal pro Jahr bringt ihnen ihr Probenehmer LactoCorder vorbei und die Astners nehmen die Milchproben selbst. Die Daten des Erzeugungs- und Qualitätsmonitoring Milch liefern ihnen wichtige Kennzahlen für ihr Betriebsmanagement, zum Gesundheitsstatus ihrer Tiere und zu den Milchinhaltsstoffen. Auf Basis der MLP-Ergebnisse teilen sie die Ziegen in Leistungsgruppen ein. Die Teilnahme an der Milchleistungsprüfung ist für den Herdbuchzuchtbetrieb Grundlage, um ihre Zuchttiere verkaufen zu können.

Ziegenprodukte selber vermarkten

„Jetzt kann ich den Preis selbst bestimmen und habe viel Kontakt zu den Kunden“, freut sich Marianne Astner. In ihrem Hofladen verkauft sie Milch, Fleisch und Wurst von ihren Ziegen. Auf diesem Weg vermarktet sie pro Jahr 70 Kitze, die vom benachbarten Metzger mit vier bis fünf Monaten geschlachtet werden. Nicht nur sie selbst, auch die Kunden wissen die Besonderheit der Ziegenprodukte zu schätzen: Ziegenmilch ist besonders gut verträglich und Ziegenfleisch ist sehr fettarm. „Toll wäre es, wenn zukünftig mehr Gaststätten Ziegenfleisch verarbeiten und dadurch Ziegenprodukte bekannter machen“, wünscht sich Marianne Astner.

Im Hofladen bietet Marianne Astner Milch, Käse, Fleisch und Wurst von ihren Ziegen an.

Überraschende Wahrheiten über Ziegen

Oft hören Marianne und Josef Astner lustige Ansichten über Ziegen.

  • Erstaunlich viele Menschen sind überzeugt das Ziegen keine Arbeit machen, weil sie so klein sind. Das Gegenteil ist der Fall.
  • Die Ziege braucht nicht jedes Jahr ein Kitz.
  • Ziegen stinken nicht. Nur den Bockgeruch nimmt man in der Zeit von August bis Dezember sehr intensiv wahr.
  • Ziegen sind sehr ruhige Tiere. Sie schreien nur, wenn sie Hunger haben oder ihnen etwas nicht passt.
  • Obwohl Ziegen sehr gerne gestreichelt werden, müssen gerade sie vor fremden Streicheleinheiten geschützt werden. Ziegen sind nämlich sehr anfällig gegenüber Krankheitserregern.

 

Seit 2018 halten Marianne und Josef Astner Ziegen. Die kleinen Tiere erfreuen sie jeden Tag.

Fortbildung für Ziegenhalter

In Zusammenarbeit mit der LfL und Bioland bietet der Ziegenzuchtverband verschiedene Seminare für Ziegenhalter an. Die Themen reichen von Ziegenhaltung für Umsteller-Betriebe, über Milchverarbeitung bis hin zur Vermarktung.

Der Landesverband Bayerischer Ziegenzüchter unterstützt gerne bei Fragen rund um Fortbildung, Förderung und Zuchtfragen: www.ziegenzucht-bayern.de/

Martina Leißner

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